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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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Jajaja: die Posaune des Jüngsten Gerichts. Zum Teufel mit allem, der<br />

ganzen elenden Schweinerei: bläh einfach nur die Backen und dann<br />

ruuti-tuut-tuut-Los, komm, jetzt wird gefeiert.<br />

Wie heiß es ist: dampfend, drückend, unerträglich. Das ist nicht das<br />

Große London: nicht diese gemeine Stadt. Startbahn Eins, Mahagonny,<br />

Alphaville. Er wandert durch ein Sprachenwirrwarr. Babel: eine<br />

Verkürzung des assyrischen »babilu«. »<strong>Die</strong> Tore Gottes.« Babylondon.<br />

Wo ist das?<br />

- Ja. - Eines Nachts wandert er hinter den Kathedralen der Industriellen<br />

Revolution, den Endbahnhöfen Nordlondons. Der anonyme King’s<br />

Cross, die fledermausartige Drohung des Turms von St. Pancras, die<br />

rot-schwarzen Gasbehälter, die sich gigantischen eisernen Lungen gleich<br />

aufblähen und wieder zusammensinken. Wo einst Königin Boudicca in<br />

der Schlacht fiel, ringt Gibril Farishta mit sich selbst.<br />

Der Goodsway. Oh, welch saftige Waren lungern in Hauseingängen und<br />

unter Wolframlampen, welche Köstlichkeiten werden auf diesem Weg<br />

angeboten!<br />

Schaukelnde Handtäschchen, locken dich, silberngerockt,<br />

Netzstrumpfhosen: es sind nicht nur junge Waren (Durchschnittsalter<br />

dreizehn bis fünfzehn), sondern auch billige.<br />

Sie haben kurze, identische Geschichten: alle haben sie irgendwo ein<br />

Baby weggepackt, alle wurden sie von zornigen, puritanischen Eltern aus<br />

dem Haus geworfen, keine ist weiß.<br />

Luden mit Messern nehmen neunzig Prozent ihres Verdienstes.<br />

Schließlich sind Waren nur Waren, besonders, wenn sie Ramsch sind.<br />

Gibril Farishta auf dem Goodsway wird in Schatten und zu Lampen<br />

gerufen; und beschleunigt zunächst den Schritt. Was hat das mit mir zu<br />

tun? Blöde Massenmösen. Doch dann geht er langsamer und bleibt<br />

stehen, hört, wie etwas anderes ihm aus den Schatten und von den<br />

Lampen her zuruft, ein Bedürfnis, eine wortlose Bitte, verborgen unter<br />

den blechernen Stimmen von Zehn-Pfund-Nutten. Seine Schritte werden<br />

langsamer, halten inne. Er wird von ihrem Verlangen festgehalten.<br />

Wonach? Jetzt bewegen sie sich auf ihn zu, angezogen wie Fische an<br />

unsichtbaren Haken. Während sie sich ihm nähern, verändert sich ihr<br />

Gang, die Hüften wackeln nicht mehr, die Gesichter entsprechen ihrem<br />

Alter, trotz des dicken Make-ups. Als sie bei ihm sind, knien sie nieder.

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