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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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ihrer letzten Umarmung entgegenführt: der subtile, trügerische<br />

Widersacher, der das Gesicht seines Freundes angenommen hat, seines<br />

treuesten Freundes Saladin, um ihn einzulullen, um seine Wachsamkeit<br />

einzuschläfern. Und da ist ein Gibril, der die Straßen Londons<br />

durchstreift und versucht, den Willen Gottes zu verstehen.<br />

Soll er das Werkzeug des Zorns Gottes werden?<br />

Oder seiner Liebe?<br />

Ist er Rache oder Vergebung? Soll die tödliche Trompete in der Tasche<br />

verbleiben oder soll er sie hervorziehen und blasen?<br />

(Ich gebe ihm keine Anweisungen. Auch ich warte mit Interesse darauf,<br />

wie er sich entscheiden wird - auf das Ergebnis seines Ringkampfs.<br />

Charakter gegen Vorbestimmung: ein Freistilkampf. Zwei Stürze, zwei<br />

Aufgaben oder ein K.O. werden entscheiden.)<br />

Ringend schreitet er durch seine vielen Geschichten voran.<br />

Es gibt Zeiten, da sehnt er sich nach ihr, Alleluja, allein ihr Name eine<br />

Freude; aber dann entsinnt er sich der diabolischen <strong>Verse</strong> und wendet<br />

seine Gedanken ab. Das Horn in seiner Tasche will geblasen werden,<br />

doch er beherrscht sich. <strong>Die</strong> Zeit ist noch nicht reif. Nach Hinweisen<br />

suchend - was muss nun getan werden? - pirscht er durch die Straßen der<br />

Stadt.<br />

Irgendwo sieht er in einem Abendfenster einen Fernseher.<br />

Auf dem Bildschirm ist ein Frauenkopf, eine berühmte »Moderatorin«,<br />

die von einem ebenso berühmten, zwinkernden irischen »Gastgeber«,<br />

interviewt wird. - Was wäre das Schlimmste, das Sie sich vorstellen<br />

können? - Oh, ich glaube, das wäre, ja, das wäre bestimmt: an<br />

Heiligabend allein zu sein.<br />

Da wäre man auf sich selbst zurückgeworfen, nicht, man würde in einen<br />

erbarmungslosen Spiegel schauen und sich fragen: und das soll alles<br />

sein? - Gibril, allein, er kennt den Treff nicht, geht weiter. Der<br />

Widersacher im Spiegel nähert sich im selben Tempo wie er, winkt ihm,<br />

streckt die Arme aus.<br />

<strong>Die</strong> Stadt sendet ihm Botschaften. Hier an dieser Stelle, sagt sie, hat der<br />

holländische König beschlossen zu bleiben, als er vor dreihundert Jahren<br />

herüberkam. Damals war sie außerhalb der Stadt, ein Dorf, inmitten der

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