10.12.2012 Aufrufe

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Die</strong> Polizei ist jetzt fertig mit den Wachsfiguren und holt die echten<br />

Menschen heraus. <strong>Die</strong> Kamera nähert sich den Verhafteten: ein<br />

hochgewachsener Albinomann; ein Mann in einem Armani-Anzug, der<br />

aussieht wie ein dunkles Abbild von Robert de Niro, ein junges Mädchen<br />

- vierzehn, fünfzehn? -, ein finsterer junger Mann, ungefähr zwanzig.<br />

Namen werden nicht eingeblendet; die Kamera kennt diese Gesichter<br />

nicht. Nach und nach allerdings kommen die Fakten zutage. Der<br />

Diskjockey des Clubs, Sewsunker Ram, bekannt als »Pinkwalla«, und<br />

der Besitzer, Mr. John Maslama, sollen wegen groß angelegten<br />

Rauschgifthandels - Crack, Brown Sugar, Haschisch, Kokain - angeklagt<br />

werden. Der Mann, der mit ihnen verhaftet wurde, ein Angestellter von<br />

Maslamas nahegelegenem Musikgeschäft Fair Winds, ist der Halter<br />

eines Lieferwagens, in dem eine nicht genannte Menge »harter Drogen«<br />

gefunden wurde, ebenfalls zahlreiche »heiße« Videorecorder. Der Name<br />

des jungen Mädchens ist Anahita Sufyan; sie ist minderjährig, soll<br />

einiges getrunken und, so wird angedeutet, mit wenigstens einem der<br />

drei Inhaftierten geschlechtliche Beziehungen unterhalten haben. Des<br />

Weiteren soll sie häufig die Schule schwänzen und mit bekanntermaßen<br />

kriminellen Elementen in Verbindung stehen: zweifellos eine<br />

Delinquentin. Ein angestrahlter Journalist wird diese Leckerbissen viele<br />

Stunden nach den Ereignissen der Nation vorsetzen, doch die Neuigkeit<br />

rast schon durch die Straßen: Pinkwalla! Und das Wax: sie haben es<br />

zerlegt - auseinandergenommen! Jetzt herrscht Krieg.<br />

<strong>Die</strong>s jedoch ereignet sich an Schauplätzen, die - wie so vieles andere<br />

auch - die Kamera nicht sehen kann.<br />

Gibril: bewegt sich wie in einem Traum, denn nach der tagelangen<br />

Wanderung durch die Stadt ohne Nahrung, ohne Schlaf, die Trompete<br />

namens Asrael sicher in einer Tasche seines Wintermantels verstaut,<br />

kennt er keinen Unterschied mehr zwischen Wach-und Traumzustand; er<br />

hat jetzt einen Begriff davon, was Allgegenwart sein muss, weil er sich<br />

durch mehrere Geschichten zugleich bewegt, da ist ein Gibril, der über<br />

die Untreue Alleluja Cones trauert, und ein Gibril, der über dem<br />

Totenbett eines Propheten schwebt, und ein Gibril, der heimlich über<br />

eine Pilgerfahrt zum Meer wacht, den Augenblick abwartet, in dem er<br />

sich zu erkennen geben wird, und ein Gibril, der jeden Tag stärker den<br />

Willen des Widersachers spürt, der ihn näher und näher zieht und ihn

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!