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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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sinnierte er: erstens Gibrils dramatische Aufgabe seiner Karriere und<br />

seine Hetze um die Welt, und nun Allies kompromisslose<br />

Entschlossenheit, es durchzustehen, diese wahnsinnige, engelsgleiche<br />

Göttlichkeit in ihm zu überwinden und das Menschliche, das sie liebte,<br />

wiedereinzusetzen. Keine Kompromisse; sie gingen aufs Ganze. Er,<br />

Saladin, dagegen hatte sich damit zufrieden erklärt, mit seiner Frau und<br />

ihrem Liebhaber unter einem Dach zu leben. Was war der bessere Weg?<br />

Captain Ahab ertrank, erinnerte er sich; Ishmael der Opportunist dagegen<br />

überlebte.<br />

Am nächsten Morgen befahl Gibril einen Aufstieg auf den örtlichen<br />

»Top«. Doch Allie wollte nicht, obwohl Chamcha ihrer leuchtenden<br />

Nasenspitze ansah, wie sehr sie sich über ihre Rückkehr aufs Land<br />

freute. »Blöde Plattfußmama«, schalt Gibril sie liebevoll. »Na, komm,<br />

Salad. Wir verdammten Pinkel aus der Stadt zeigen der<br />

Everest-Bezwingerin, was klettern heißt.<br />

Ist das nicht eine verkehrte Welt, yaar. Wir gehen Bergsteigen, und sie<br />

hockt hier und macht Geschäftstelefonate.« Saladins Gedanken rasten;<br />

jetzt verstand er das merkwürdige Humpeln in den Sheppertonstudios,<br />

verstand auch, dass diese abgeschiedene Zuflucht vorübergehend sein<br />

würde, dass Allie, indem sie hierher kam, ihr Leben opferte und das<br />

nicht endlos so weitertreiben konnte. Was sollte er tun? Alles? Nichts?<br />

Wenn Rache genommen werden sollte, wann und wie? »Zieh dir die<br />

Stiefel da an«, kommandierte Gibril. »Glaubst du, der Regen hält sich<br />

den ganzen Tag zurück?«<br />

Er tat es nicht. Als sie den Steinhaufen auf dem Gipfel von Gibrils Tour<br />

erreichten, waren sie in einen feinen Nieselregen eingehüllt. »Na,<br />

großartig«, keuchte Gibril. »Schau: da ist sie, da unten, dick und fett wie<br />

der Obermufti.« Er deutete hinunter auf die Freikirche. Chamcha stand<br />

mit hämmerndem Herzen da und kam sich blöd vor. Er musste sich<br />

endlich wie einer benehmen, der Probleme mit der Pumpe hat. Was war<br />

so großartig daran, hier, im Regen, auf diesem Nichts von einem »Top«,<br />

für nichts und wieder nichts an Herzversagen zu sterben? Dann holte<br />

Gibril einen Feldstecher heraus und begann, das Tal abzusuchen. Kaum<br />

etwas regte sich - zwei, drei Männer und Hunde, ein paar Schafe, sonst

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