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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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englische Kricketmannschaft im Brabourne-Stadion gegen Indien spielte,<br />

flehte er um einen Sieg der Engländer, darum, dass die Erfinder dieses<br />

Spiels die heimischen Emporkömmlinge besiegten, damit die<br />

rechtmäßige Ordnung der Dinge aufrechterhalten blieb. (Aber aufgrund<br />

der verhätschelten Schläfrigkeit des Brabourne-Stadion-Spielfelds<br />

endeten die Spiele stets unentschieden; das große Problem, Erfinder<br />

gegen Nachahmer, Kolonisten gegen Kolonisierte, musste notgedrungen<br />

ungelöst bleiben.)<br />

In seinem dreizehnten Jahr war er alt genug, um auf den Felsen von<br />

Scandal Point zu spielen, ohne dass seine Ayah Kasturba ihn<br />

beaufsichtigte. Und eines Tages (es war so, es war nicht so) schlenderte<br />

er aus dem Haus, diesem riesigen, verfallenden, salzverkrusteten<br />

Gebäude im Parsi-Stil - überall Säulen und Fensterläden und kleine<br />

Balkone - und durch den Garten, der der Stolz und die Freude seines<br />

Vaters war und der bisweilen im Abendlicht den Eindruck erwecken<br />

konnte, grenzenlos zu sein (und der auch voller Geheimnisse war, ein<br />

ungelöstes Rätsel, weil niemand, weder sein Vater noch der Gärtner, ihm<br />

die Namen der meisten Pflanzen und Bäume nennen konnte), und durch<br />

das Haupttor hinaus, eine prunkvolle Unsinnigkeit, ein Nachbau des<br />

römischen Triumphbogens des Septimus Severus, und quer über den<br />

rasenden Irrsinn der Straße, über die Kaimauer und schließlich bis zu der<br />

weiten Fläche glänzender schwarzer Felsen mit den kleinen Tümpeln<br />

voller Krabben. Sittsame Mädchen kicherten in Röcken, Männer mit<br />

zusammengerollten Schirmen standen schweigend da, den Blick auf den<br />

blauen Horizont gerichtet. In einer Höhle aus schwarzem Stein sah<br />

Salahuddin, wie sich ein Mann in einem Dhoti über einen Tümpel<br />

beugte. Ihre Blicke trafen sich, und der Mann winkte ihn mit einem<br />

Finger zu sich, den er dann auf den Mund legte. Pst, und das Geheimnis<br />

der Felsentümpel zog den Jungen hin zu dem Fremden. Er war ein<br />

Geschöpf aus Knochen. Trug eine Brille mit einer Fassung, die wie<br />

Elfenbein aussah. Sein Finger krümmte sich, krümmte sich wie ein<br />

Angelhaken mit Köder, komm. Als Salahuddin bei ihm angelangt war,<br />

packte ihn der andere, legte ihm eine Hand über den Mund und zwang<br />

seine kleine Hand zwischen alte und fleischlose Beine, damit sie den<br />

Fleischknochen dort betastete.<br />

Der Dhoti offen im Wind. Salahuddin hatte sich nie zu wehren gewusst;

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