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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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aller hohen Kunst erwartete -, dann redete er sich ein, dass der Reiz bald<br />

wiederkehren würde; er hatte ja »Schlimmes durchgemacht« und<br />

brauchte etwas Zeit.<br />

Wie er so in seiner Höhle in dem Parker-Knoll-Ruhesessel saß, um ihn<br />

herum die vertrauten Gegenstände - die Porzellanharlekine, der Spiegel<br />

in der Form eines Herzens, der Eros, der die Kugel einer antiken Leuchte<br />

hielt -, beglückwünschte er sich ,dass er zu der Sorte Mensch gehörte,<br />

die Hassgefühle nicht lange aufrechterhalten konnte. Vielleicht war<br />

Liebe doch von größerer Dauer als Hass; auch wenn sich die Liebe<br />

änderte, so blieb ein Schatten, eine Kontur. Pamela gegenüber zum<br />

Beispiel verspürte er, dessen war er sicher, nichts als höchst selbstlose<br />

Zuneigung. Hass war vielleicht ein Fingerabdruck auf dem glatten Glas<br />

der sensiblen Seele; nur ein Fettfleck, der verschwand wenn man ihn in<br />

Ruhe ließ.<br />

Gibril? Pah! Der war vergessen, den gab es nicht mehr. Ja,<br />

Feindseligkeiten aufgeben, hieß, frei werden.<br />

Saladins Optimismus wuchs, doch das rote Band, das seine Rückkehr ins<br />

Leben umfing, erwies sich als störrischer als erwartet. <strong>Die</strong> Banken ließen<br />

sich Zeit, seine Konten wieder zugänglich zu machen; er musste sich<br />

Geld von Pamela leihen.<br />

Auch kam er nur schwer an Arbeit. Seine Agentin, Charlie Seilers,<br />

erklärte ihm am Telefon: »<strong>Die</strong> Auftraggeber werden komisch. Sie reden<br />

plötzlich über Zombies, fühlen sich gewissermaßen unrein: als<br />

plünderten sie ein Grab.« Charlie, die mit Anfang Fünfzig noch immer<br />

wie ein chaotisches und dämliches junges Ding aus bestem Landadel<br />

klang, vermittelte ihm den Eindruck, als sympathisiere sie mit dem<br />

Standpunkt der Auftraggeber. »Einfach abwarten«, riet sie. »<strong>Die</strong><br />

kommen schon wieder. Mein Gott, schließlich bist du ja nicht Dracula.«<br />

Vielen Dank, Charlie.<br />

Ja: seine zwanghafte Abscheu Gibril gegenüber, sein Traum, sich<br />

grausam und angemessen zu rächen, gehörten der Vergangenheit an,<br />

waren Aspekte der Realität, die mit seinem leidenschaftlichen<br />

Verlangen, wieder in ein normales Leben einzutauchen, unvereinbar<br />

waren. Nicht einmal die aufrührerische, dekonstruktive Bildersprache<br />

des Fernsehens konnte ihn davon ablenken. Was er zurückwies, war die<br />

Vorstellung, er und Gibril seien monströs. Ja, monströs; die absurdeste

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