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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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aber zu diesem Zeitpunkt lagen sie einander bereits in den Armen, was<br />

tatsächlich eine Verbesserung war, worauf er es gut sein ließ.<br />

(In einem Jahr hatte die Regierung Eintritt ins Museum verlangt, und<br />

Gruppen aufgebrachter Kunstfreunde demonstrierten vor den Tempeln<br />

der Kultur. Als Chamcha das sah, wollte er sich mit einem eigenen<br />

Plakat dazugesellen und einen Ein-Mann-Gegenprotest starten. Hatten<br />

diese Leute denn keine Ahnung, was das Zeug da drin überhaupt wert<br />

war? Da standen sie, machten sich munter die Lungen kaputt mit ihren<br />

Zigaretten, die pro Packung teurer waren als der Eintritt, gegen den sie<br />

protestierten; was sie vor der Welt demonstrierten, war der niedrige<br />

Wert, den sie ihrem kulturellen Erbe zumaßen…<br />

Pamela sprach ein Machtwort. »Untersteh dich bloß nicht«, sagte sie. Sie<br />

war der damals richtigen Ansicht: dass die Museen zu wertvoll seien, um<br />

etwas dafür zu verlangen. Also:<br />

»Untersteh dich bloß nicht«, und zu seiner Überraschung tat er es auch<br />

nicht. Er hatte nicht das gemeint, was er anscheinend gemeint hatte. Er<br />

hatte gemeint, dass er, vielleicht, unter den richtigen Umständen, sein<br />

Leben für die Sachen in den Museen gegeben hätte. Und deshalb konnte<br />

er diese Einwände gegen einen Obulus von ein paar Pence nicht ernst<br />

nehmen.<br />

Allerdings leuchtete ihm ein, dass dies ein dürftiger und kaum haltbarer<br />

Standpunkt war.) Und von den Menschen, Pamela, habe ich dich geliebt.<br />

Kultur, Stadt, Frau; und eine vierte und letzte Liebe, von der er zu<br />

niemandem gesprochen hatte: die Liebe zu einem Traum. In den alten<br />

Tagen hatte er den Traum ungefähr einmal im Monat geträumt; ein<br />

schlichter Traum angesiedelt, in einem Stadtpark, an einer Allee mit<br />

hochgewachsenen Ulmen, deren sich wölbende Äste die Allee in einen<br />

grünen Tunnel verwandelten, in den Himmel und Sonne hie und da<br />

durch die vollkommene Unvollkommenheit des Blätterbaldachins<br />

tropften. In dieser waldigen Verschwiegenheit sah Saladin sich in<br />

Begleitung eines kleinen, etwa fünfjährigen Jungen, dem er das<br />

Fahrradfahren beibrachte. Der Junge schlingerte anfangs<br />

besorgniserregend, machte mit der Verbissenheit eines, der möchte, dass<br />

sein Vater stolz auf ihn ist, heroische Anstrengungen, das Gleichgewicht<br />

zu finden und zu halten. Der Traum-Chamcha rannte hinter seinem<br />

phantasierten Sohn her und hielt den Gepäckträger über dem Hinterrad

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