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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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esonders stolz auf ihn sein«, antwortete er unbeirrt, »aber es ist mein<br />

Name. Und ich arbeite hier ja auch nicht mit den Kunden. Es gibt aus<br />

geschäftlicher Sicht keinen Grund für eine Namensänderung.« »Na ja,<br />

wie auch immer«, meinte die sinnliche Maria die Koptin mit einem<br />

Achselzucken.<br />

»Ob mit oder ohne Name, wir wollen, dass du anfängst, dich genau wie<br />

er zu benehmen.«<br />

»Ich weiß nicht…«, begann Baal zu protestieren, aber Aischa, eigentlich<br />

die Schönste von allen - jedenfalls war er seit neuestem dieser Ansicht - ,<br />

zog eine niedliche Schnute.<br />

»Ehrlich, mein Gemahl«, schmeichelte sie ihm, »es ist nicht so schwer,<br />

ehrlich. Weißt du, wir wollen einfach, dass du der Chef bist.«<br />

Es stellte sich heraus, dass die Huren des »Vorhangs« die altmodischsten<br />

und traditionsbewusstesten Frauen von ganz Jahilia waren. Ihre Arbeit,<br />

die leicht zu Zynismus und Ernüchterung hätte führen können (und<br />

natürlich waren sie durchaus imstande, in Bezug auf ihre Kunden<br />

grausame Ansichten zu entwickeln), hatte stattdessen Träumerinnen aus<br />

ihnen gemacht. Abgeschieden von der Außenwelt, fantasierten sie von<br />

einem »normalem Leben«, in dem sie nichts mehr sein wollten als die<br />

gehorsame und - jawohl - unterwürfige Gefährtin eines Mannes, der<br />

klug, liebevoll und stark war. Das heißt: das jahrelange Inszenieren von<br />

Männerphantasien hatte schließlich ihre Träume korrumpiert, so dass sie<br />

im Grunde ihres Herzens sich nichts anderes wünschten, als dem ältesten<br />

männlichen Wunschbild zu entsprechen. <strong>Die</strong> zusätzliche Würze, das<br />

Eheleben des Propheten nachzuspielen, hatte sie allesamt in einen<br />

Zustand höchster Erregung versetzt, und der verwirrte Baal erfuhr, wie<br />

es war, wenn zwölf Frauen um seine Gunst, um sein Lächeln buhlten,<br />

während sie ihm die Füße wuschen und mit ihrem Haar trockneten,<br />

während sie seinen Körper ölten und für ihn tanzten und auf tausenderlei<br />

Art die Traum-Ehe in Szene setzten, die zu erleben sie nie für möglich<br />

gehalten hätten.<br />

Es war unwiderstehlich. Allmählich wurde Baal selbstbewusst genug,<br />

um die Mädchen herumzukommandieren, zwischen ihnen zu schlichten,<br />

und sie zu bestrafen, wenn er sich über sie ärgerte. Einmal geriet er über<br />

ihr Gezänk so in Wut, dass er sich ihnen allen für die Dauer eines<br />

Monats verweigerte. Als er nach neunundzwanzig Nächten zu Aischa

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