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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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ich Aischa wie aus dem Gesicht geschnitten bin, und sie ist ja<br />

bekanntlich der Liebling Seiner Hoheit. Na, was sagt ihr jetzt?«<br />

<strong>Die</strong> fünfzigjährige Kurtisane schaltete sich ein. »Hör mal zu, die Frauen<br />

in diesem Harem da, die Männer reden von nichts anderem mehr. Kein<br />

Wunder, dass Mahound sie eingesperrt hat, aber dadurch ist es nur noch<br />

schlimmer geworden. Was man nicht sehen kann, malt man sich eben in<br />

der Phantasie aus.«<br />

Besonders in dieser Stadt, dachte Baal, vor allem in unserem sittenlosen<br />

Jahilia, wo die Frauen bunte Kleider trugen, bevor Mahound mit seinem<br />

Gesetzbuch aufkreuzte, und die Leute nur über Sex und Geld, Geld und<br />

Sex sprachen, und nicht nur sprachen.<br />

Er sagte zu der jüngsten Hure: »Warum machst du dann nicht mit und<br />

spielst ihm was vor?«<br />

»Wem?«<br />

»Musa. Wenn Aischa ihn so erregt, dann sei ihm doch seine private,<br />

persönliche Aischa.«<br />

»Gottogott«, sagte das Mädchen, »Sag das nicht zu laut, sonst braten sie<br />

deine Eier in Butter.«<br />

Wie viele Frauen? Zwölf, und eine alte Dame. Längst verstorben. Wie<br />

viele Huren hinter dem »Vorhang«? Wiederum zwölf; und, versteckt auf<br />

ihrem schwarzumhangenen Thron: die uralte Madame, die noch immer<br />

dem Tod die Stirn bot. Wo kein Glauben ist, da gibt es auch keine<br />

Gotteslästerung. Baal erzählte der Madame von seiner Idee; sie<br />

verkündete ihre Entscheidung mit der Stimme eines heiseren Froschs:<br />

»Es ist sehr gefährlich«, sprach sie, »aber es dürfte sehr gut für’s<br />

Geschäft sein. Wir müssen vorsichtig sein, aber wir werden es machen.«<br />

<strong>Die</strong> Fünfzehnjährige wisperte dem Lebensmittelhändler etwas ins Ohr.<br />

Sofort leuchteten seine Augen auf. »Erzähl mir alles«, bettelte er. »Von<br />

deiner Kindheit, von deinen Lieblingsspielen, von Salomons Pferden,<br />

erzähl mir, wie du Tamburin gespielt hast und der Prophet dir dabei<br />

zugesehen hat.« Sie erzählte es ihm, und dann wollte er wissen, wie es<br />

war, als sie im Alter von zwölf Jahren entjungfert worden war, und sie<br />

erzählte ihm auch das, und hinterher bezahlte er das Doppelte, weil es<br />

»der schönste Tag meines Lebens gewesen ist«. - »Wir werden bei<br />

herzkranken Kunden besonders gut aufpassen müssen«, sagte die<br />

Madame zu Baal.

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