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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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»Kommt also alle herein und bringt eure Familien mit.«<br />

Hind spricht für die wütende Menge. »Alter Schwachkopf, du!<br />

Wie viele Leute passen denn in ein einziges Haus, selbst in dieses? Du<br />

hast ein Abkommen getroffen, um deine eigene Haut zu retten. Sollen sie<br />

dich in Stücke reißen und den Ameisen vorwerfen.«<br />

Doch der Grande bleibt ruhig. »Mahound verspricht auch, dass all<br />

denjenigen, die sich in ihrem Hause hinter verschlossenen Türen<br />

aufhalten, nichts passieren wird. Wenn ihr nicht in mein Haus kommen<br />

wollt, dann geht in euer eigenes und wartet.« Ein drittes Mal versucht<br />

seine Frau, die Menge gegen ihn aufzubringen: eine Balkonszene nicht<br />

der Liebe, sondern voller Hass. Mit Mahound wird es keine<br />

Kompromisse geben, ihm ist nicht zu trauen, schreit sie, das Volk soll<br />

Abu Simbel nicht glauben, sondern sich darauf vorbereiten, bis auf den<br />

letzten Mann, bis auf die letzte Frau zu kämpfen. Sie selbst wird an der<br />

Seite des Volkes kämpfen, ist bereit, für die Freiheit Jahilias ihr Leben<br />

zu lassen. »Werdet ihr euch vor diesem falschen Propheten, diesem<br />

Dajjal, in den Staub werfen? Darf man Ehrgefühl von einem Mann<br />

erwarten, der sich anschickt, die Stadt seiner Geburt zu erstürmen? Kann<br />

man von dem Kompromisslosen Kompromissbereitschaft erwarten,<br />

Gnade von dem Gnadenlosen? Wir sind die Mächtigen von Jahilia, und<br />

unsere Göttinnen, glorreich im Kampf, werden siegen.« Sie ruft<br />

jedermann auf, im Namen Al-Lats zu kämpfen. Aber schon entfernen<br />

sich die Leute.<br />

Mann und Frau stehen auf dem Balkon, und die Leute sehen sie klar und<br />

deutlich. Seit langem sind die zwei die Spiegel der Stadt; und weil die<br />

Jahilier in letzter Zeit Hind dem ergrauten Granden vorziehen, sind sie<br />

zutiefst erschüttert. Ein Volk, das von seiner Größe und Unbesiegbarkeit<br />

überzeugt ist, das trotz aller gegenteiligen Beweise an diesem Mythos<br />

festhält, ist entweder im Schlaf oder in Verrücktheit gefangen. Jetzt hat<br />

der Grande es aus diesem Schlaf geweckt; sie stehen ratlos da, reiben<br />

sich die Augen, zunächst noch unfähig zu glauben -<br />

wenn wir so mächtig sind, wieso sind wir dann so schnell gefallen und so<br />

tief? -, doch dann kommt der Glaube und führt ihnen vor Augen, dass ihr<br />

Selbstvertrauen auf Wolken gebaut war, auf der Leidenschaft von Hinds<br />

Verlautbarungen und auf wenig sonst. Sie geben Hind auf und mit ihr<br />

alle Hoffnung.

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