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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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sprach der Unbekannte: »Wenn ein hungriger Hund Futter sucht, dann<br />

sucht er nicht in der Hundehütte.« Und nach einer Pause: »Baal. Von dir<br />

ist nicht mehr viel übrig. Ich hatte mir mehr erhofft.«<br />

In Baals Angst mischte sich jetzt auch ein eigenartiges Gefühl von<br />

Demütigung. War dies ein wahnsinniger Fan, der ihn umbringen wollte,<br />

weil er nicht mehr so kraftvoll schrieb wie früher? Noch immer zitternd,<br />

versuchte er es mit Nestbeschmutzung. »Einem Schriftsteller zu<br />

begegnen, ist meistens eine Enttäuschung«, sagte er. Der andere<br />

ignorierte seine Bemerkung. »Mahound ist unterwegs«, sagte er.<br />

<strong>Die</strong>se kurze Feststellung erfüllte Baal mit großem Schrecken.<br />

»Was hat das mit mir zu tun?« rief er. »Was will er? Es ist schon lange<br />

her, eine Ewigkeit, länger als eine Ewigkeit. Was will er denn? Kommst<br />

du von ihm, hat er dich geschickt?«<br />

»Sein Gedächtnis ist so lang wie sein Gesicht«, sagte der Eindringling<br />

und schob seine Kapuze zurück. »Nein, ich bin nicht sein Bote. Du und<br />

ich, wir haben etwas gemeinsam. Wir haben beide Angst vor ihm.«<br />

»Du kommst mir bekannt vor«, sagte Baal.<br />

»Ja.«<br />

»Deine Aussprache. Du bist ein Ausländer.«<br />

»›Eine Revolution von Wasserträgern, Einwanderern und Sklaven‹«,<br />

zitierte der Fremde. »Deine Worte.«<br />

»Du bist der Einwanderer.« Baal erinnerte sich. »Der Perser.<br />

Sulaiman.« Der Perser grinste schief. »<strong>Salman</strong>«, verbesserte er ihn.<br />

»Nicht weise, sondern friedfertig.«<br />

»Du warst doch einer seiner Vertrauten«, sagte Baal perplex.<br />

»Je näher du einem Geisterbeschwörer bist«, erwiderte <strong>Salman</strong> bitter,<br />

»desto leichter durchschaust du seine Tricks.«<br />

Und Gibril träumte:<br />

In der Oase Yathrib waren die Anhänger des neuen Glaubens, der<br />

UNTERWERFUNG, landlos und daher arm.<br />

Viele Jahre lang lebten sie von Straßenraub, von Überfällen auf die<br />

reichen Kamelkarawanen von und nach Jahilia. Mahound hatte keine<br />

Zeit für Skrupel, sagte <strong>Salman</strong> zu Baal, keine Bedenken, was Mittel und<br />

Zweck anging. <strong>Die</strong> Gläubigen lebten in Gesetzlosigkeit, doch in jenen<br />

Jahren war Mahound - oder sollte man sagen der Erzengel Gibril? - sollte<br />

man sagen AlLah? - besessen von dem Gedanken an das Gesetz. Unter

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