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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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mit dem Widersacher verbunden war, die Arme um den Leib des anderen<br />

geschlungen, Mund an Mund, Kopf an Zahl, wie damals, als sie zur Erde<br />

gefallen waren: sie kolonisierten. Wie es anfängt, so geht es auch weiter.<br />

Ja, er kam näher. Tschitschi? Sasa? My other, my love…<br />

…Nein! Er schwebte über Parklandschaften und brüllte, schreckte die<br />

Vögel auf. Schluss mit diesen (von England bewirkten) Unklarheiten,<br />

diesem biblisch-satanischen Durcheinander! Klarheit, Klarheit, Klarheit<br />

um jeden Preis!<br />

<strong>Die</strong>ser Schaitan war kein gefallener Engel. Vergiss diese<br />

Sohn-der-Morgenröte-Fiktion. Er war nicht der<br />

eigentlich-gute-nur-böse-gewordene Typ, sondern das Böse in reinster<br />

Form.<br />

Tatsächlich war er überhaupt kein Engel! »Er war von den Dschinn, und<br />

er versündigte sich.« Koran 18,50: da stand es, schwarz auf weiß. Um<br />

wie viel geradliniger diese Version doch war! Um wie viel praktischer,<br />

realistischer, verständlicher!<br />

Iblis/Schaitan stand für die Dunkelheit, Gibril für das Licht. Weg, weg<br />

mit diesem sentimentalen Zeug: sich finden, einander in die Arme<br />

schließen, lieben. Finden und vernichten: basta.<br />

… O du gefährlichste, teuflischste aller Städte! In der solch starke, alles<br />

beherrschende Gegensätze unter einem endlos nieselnden Grau ertränkt<br />

wurden. Wie recht er doch gehabt hatte, beispielsweise, seine<br />

satanisch-biblischen Zweifel zu verbannen - jene Zweifel, die Gottes<br />

Unwillen betrafen, Meinungsverschiedenheiten unter seinen Statthaltern<br />

zu dulden -, denn da Iblis/Schaitan kein Engel war, gab es auch keine<br />

Dissidenten unter den Engeln, die Gott hätte zügeln müssen; und die<br />

Zweifel hinsichtlich der verbotenen Frucht und der angeblichen<br />

Weigerung Gottes, seinen Geschöpfen eine moralische Wahl<br />

zuzugestehen, denn nirgendwo im gesamten Vortrag war (im Gegensatz<br />

zur Bibel) der Baum als die Wurzel der Erkenntnis von Gut und Böse<br />

bezeichnet worden. Es war einfach ein anderer Baum! Als Schaitan das<br />

Paar im Garten Eden in Versuchung führte, nannte er ihn nur den »Baum<br />

der Unsterblichkeit«, und da er ein Lügner war, lautete die (durch<br />

Umkehrschluss erkannte) Wahrheit, dass die verbotene Frucht (dass es<br />

Äpfel waren, wurde nicht erwähnt) am Todesbaum hing, das heißt, dem<br />

Mörder des Menschen. Was blieb nun von diesem moralfürchtenden

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