10.12.2012 Aufrufe

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

starken Medikamenten loskam und ihnen seine (und auch ihre) Arbeit<br />

Trennungen aufzwang, ergriff wieder jenes irrationale, unkontrollierbare<br />

Misstrauen von ihm Besitz, das den lächerlichen Streit über Brunels<br />

Geschenke ausgelöst hatte.<br />

Wenn sie sich sahen, nahm er sie jedes Mal in die Zange, unterzog sie<br />

einem minuziösen Verhör: wo sie gewesen sei, mit wem sie sich<br />

getroffen habe, sie solle ihm nichts vormachen.<br />

Es kam ihr vor, als würde sie ersticken. Seine Geisteskrankheit, die<br />

neuen Einflüsse in seinem Leben, und jetzt diese nächtlichen<br />

Folterverhöre: es war, als würde ihr wirkliches Leben, das Leben, das sie<br />

führen wollte, für das sie gequält wurde und kämpfte, tiefer und tiefer<br />

unter dieser Lawine von Unrecht begraben. Was ist mit meinen<br />

Bedürfnissen? wollte sie schreien. Wann wird mal nach meiner Pfeife<br />

getanzt? An den Rand ihrer Selbstbeherrschung getrieben, blieb ihr als<br />

letzter Ausweg nur noch, ihre Mutter um Rat zu fragen. Im ehemaligen<br />

Arbeitszimmer ihres Vaters im Haus in der Moscow Road - Alicja hatte<br />

es genauso gelassen, wie Otto es gefallen hatte, außer, dass jetzt die<br />

Vorhänge aufgezogen waren, so dass hereinfallen konnte, was England<br />

an Licht hervorbrachte, und an strategischen Stellen standen<br />

Blumenvasen - hatte Alicja zunächst nicht viel mehr als Resigniertheit zu<br />

bieten. »<strong>Die</strong> Lebenspläne einer Frau werden also von einem Mann zu<br />

Fall gebracht«, sagte sie, nicht unfreundlich. »Dein Geschlecht heißt dich<br />

willkommen! Ich sehe, du bist es nicht gewohnt, nicht mehr weiter zu<br />

wissen.« Und Allie gestand: sie wolle sich von ihm trennen, sehe sich<br />

aber außerstande. Nicht bloß wegen des Schuldgefühls, einen wirklich<br />

kranken Menschen allein zu lassen, auch wegen der »großen<br />

Leidenschaft«, wegen des Wortes, das noch immer ihre Zunge<br />

verbrannte, wenn sie es aussprechen wollte. »Du willst sein Kind«,<br />

Alicja legte den Finger darauf. Zuerst brauste Allie auf: »Ich will mein<br />

Kind«, aber dann gab sie plötzlich nach, putzte sich die Nase, nickte<br />

schwach und war den Tränen nahe.<br />

»Du solltest deinen Kopf untersuchen lassen, das wär’ angebracht«,<br />

tröstete Alicja sie. Wie lange hatten sie einander nicht mehr in die Arme<br />

genommen? Viel zu lange. Und vielleicht war dies das letzte Mal…<br />

Alicja zog ihre Tochter an sich und sagte: »Wisch dir die Tränen ab.<br />

Jetzt kommt die gute Nachricht. Deine Affäre ist vielleicht kaputt, aber

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!