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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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seine Ärzte veranlasste, sich einverstanden zu erklären, in der Annahme,<br />

dass seine Rückkehr in das vertraute Milieu, eine Heimkehr<br />

gewissermaßen, seiner Genesung nur förderlich sein könne.<br />

Und wenn Sisodia sich die Träume, die er an Gibrils Bett gehört hatte,<br />

unter den Nagel gerissen hatte, so konnte das als genialer Einfall<br />

aufgefasst werden: sobald diese Geschichten nämlich eindeutig<br />

erkennbar in der künstlichen, gefälschten Welt des Kinos untergebracht<br />

wären, müsste es auch Gibril leichter fallen, sie als Phantasiegebilde zu<br />

sehen. Vielleicht ließe sich dann auch jene Berliner Mauer zwischen<br />

Träumen und Wachen sehr viel schneller wiederaufbauen. Grundsätzlich<br />

lohnte es jedenfalls den Versuch.<br />

<strong>Die</strong> Dinge (weil es Dinge waren) entwickelten sich nicht ganz wie<br />

geplant. Allie missfiel, wie sehr Sisodia, Battuta und Mimi sich in<br />

Gibrils Leben breitmachten, über seine Garderobe und seinen<br />

Tagesablauf bestimmten und ihn mit der Erklärung, dass »imagemäßig«<br />

die Zeit noch nicht reif sei für eine »feste Beziehung«, aus Allies<br />

Wohnung herausholten. Nach dem Auftritt im Ritz bekam der Filmstar<br />

drei Zimmer in Sisodias großzügiger, durchgestylter Wohnung, die sich<br />

in der Nähe von Grosvenor Square in einem alten, herrschaftlichen<br />

Häuserblock mit Art-Deco-Marmorfliesen auf den Fußböden und dezent<br />

gehaltenen Wänden befand. Gibrils passives Hinnehmen dieser<br />

Veränderungen war für Allie das, was sie am meisten in Rage brachte,<br />

und sie begann, die Dimension seines früheren Entschlusses zu<br />

verstehen, als er alles, was ihm offensichtlich zweite Natur war, um<br />

ihretwillen aufgegeben hatte. Würde er sie jetzt, da er zurücksank in<br />

jenes Universum von bewaffneten Leibwächtern und kichernden<br />

Zimmermädchen mit Frühstückstabletts, ebenso dramatisch fallenlassen<br />

wie er in ihr Leben getreten war? Hatte sie mitgeholfen, seine<br />

umgekehrte Heimkehr in die Wege zu leiten, an deren Ende sie einsam<br />

und verlassen dastehen würde? Gibril starrte sie aus Zeitungen,<br />

Zeitschriften, Fernsehgeräten heraus an, mit den unterschiedlichsten<br />

Frauen am Arm, einfältig grinsend. Sie war wütend, doch er weigerte<br />

sich, es wahrzunehmen. »Warum machst du dir Gedanken?« winkte er<br />

ab und sank in ein Ledersofa von der Größe eines kleinen Lieferwagens.<br />

»Es sind doch nur Fotos: Business, mehr nicht.«<br />

Das Schlimmste: er wurde eifersüchtig. In dem Maße, wie er von den

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