10.12.2012 Aufrufe

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

die Haare einzeln zu Berge standen): »<strong>Die</strong>s sind erhabene weibliche<br />

Wesen, deren Fürsprache wahrlich erwünscht ist«, aber offenbar war er<br />

imstande, diese nächtlichen Shows als etwas außerhalb seiner selbst zu<br />

sehen, was bei Allie und den Krankenhauspsychiatern den Eindruck<br />

erweckte, dass Gibril allmählich wieder den Grenzwall zwischen<br />

Traumwelt und Realität errichtete und sich auf dem Weg der Besserung<br />

befand; tatsächlich aber war, wie sich zeigte, diese Grenzziehung<br />

verwandt, ja identisch mit der Spaltung seines Bewusstseins in zwei<br />

Wesen, deren eines er heldenhaft zu unterdrücken suchte, zugleich aber,<br />

indem er es als andere Person betrachtete, konservierte, pflegte und<br />

insgeheim stärkte.<br />

Was Allie betraf, so verlor sie für eine Weile dieses prickelnde,<br />

verkehrte Gefühl, in einer falschen Umgebung gelandet zu sein, in einer<br />

fremden Geschichte. Sie sorgte für Gibril, investierte in sein Gehirn, wie<br />

sie es nannte, rackerte sich ab für seine Errettung, damit sie den großen,<br />

aufregenden Kampf ihrer Liebe wieder aufnehmen konnten; denn sie<br />

würden wohl bis ins Grab miteinander streiten, dachte sie amüsiert, zwei<br />

alte Käuze, die auf der abendlichen Veranda ihres Lebens sitzen und mit<br />

zusammengerollten Zeitungen matt aufeinander einschlagen, und sie<br />

fühlte sich ihm mit jedem Tag näher, sozusagen verwurzelt in seiner<br />

Erde. Es war schon eine Weile her, seit Maurice Wilson gesichtet<br />

worden war, wie er zwischen den Kaminen hockte und sie in den Tod<br />

lockte.<br />

Mr. »Whisky« Sisodia, dieses strahlende und höchst charmante Knie mit<br />

Brille, war ein regelmäßiger Gast während Gibrils Rekonvaleszenz - drei<br />

oder vier Besuche wöchentlich -, und stets kam er mit Paketen voller<br />

Leckereien. Gibril hatte sich in seiner »Engels-Periode« buchstäblich zu<br />

Tode gefastet, und die Ärzte vertraten die Ansicht, dass Hunger in<br />

erheblichem Maße zu seinen Halluzinationen beigetragen habe. »Na,<br />

dann päp-päpp-päppeln wir ihn mal wieder auf.« Sisodia klatschte in die<br />

Hände, und sobald der Magen des Invaliden wieder aufnahmebereit war,<br />

überhäufte »Whisky« ihn mit Delikatessen: chinesischer Zuckermais und<br />

Hühnersuppe, Bhelpuri à la Bombay aus dem schicken, neuen Restaurant<br />

mit dem unglücklich gewählten Namen »Pagal Khana«, dessen

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!