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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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Lakai anwesend war, der sie vor solchen Störungen schützte. Nachdem<br />

Alicja einen Schwall unflätiger Beschimpfungen über sich hatte ergehen<br />

lassen müssen, sagte sie als ihre Tochter schließlich den Hörer nahm:<br />

»Entschuldige, dass ich es anspreche, Liebes, aber ich finde, dein Freund<br />

ist ein Fall.«<br />

»Ein Fall, Mutter?« <strong>Die</strong>s rief Alicjas hochmütigste Stimmlage auf den<br />

Plan. Sie konnte noch immer die Grande Dame sein, besaß ein Talent<br />

dafür, ungeachtet ihres Entschlusses nach Ottos Tod, sich als Pennerin zu<br />

verkleiden. »Ein Fall«, verkündete sie eingedenk Gibrils indischer<br />

Herkunft, »von subkontinentaler Unzurechnungsfähigkeit.«<br />

Allie stritt sich nicht mit ihrer Mutter, da sie keineswegs sicher war, ob<br />

sie mit Gibril weiterhin würde zusammenleben können, auch wenn er<br />

quer durch die Welt gereist, auch wenn er vom Himmel gefallen war.<br />

<strong>Die</strong> längerfristigen Chancen waren schwer vorherzusagen, selbst<br />

mittelfristig sah es bewölkt aus.<br />

Im Augenblick konzentrierte sie sich auf den Versuch, diesen Mann<br />

kennenzulernen, der von Anfang an einfach davon ausgegangen war,<br />

dass er die große Liebe ihres Lebens war, so unberührt von<br />

irgendwelchen Zweifeln, dass er entweder recht hatte oder verrückt war.<br />

Es gab eine Menge schwieriger Situationen. Sie wusste nicht, was er<br />

wusste, was sie als selbstverständlich voraussetzen konnte: einmal<br />

brachte sie die Rede auf Nabokovs dem Untergang geweihten<br />

Schachspieler Lushin, der ahnte, dass es im Leben wie beim Schachspiel<br />

zwangsläufig gewisse Kombinationen gab, denen er nicht gewachsen<br />

war, wollte ihm sozusagen per Analogie klarmachen, dass auch sie eine<br />

(freilich etwas anders geartete) Ahnung von einer bevorstehenden<br />

Katastrophe hatte (was nichts mit ständig wiederkehrenden Mustern,<br />

sondern mit der Unabwendbarkeit des Unvorhersehbaren zu tun hatte),<br />

doch er starrte sie nur mit einem gekränkten Blick an, der ihr bewies,<br />

dass er noch nie von dem Schriftsteller, geschweige denn von Lushins<br />

Verteidigung gehört hatte. Umgekehrt überraschte er sie, als er sie<br />

einmal aus heiterem Himmel fragte: »Wieso Picabia?« Es sei doch<br />

merkwürdig, nicht wahr, dass Otto Cohen, ein Überlebender der<br />

Schreckenslager, sich für diese ganze neofaschistische<br />

Maschinenschwärmerei, für brutale Gewalt und für die Verherrlichung<br />

der Entmenschlichung habe begeistern können. »Wer nur einmal mit

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