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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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Mädchen vom Dach der Welt, die Überlebende<br />

»meines teutonischen Zweiers«, wie Otto Cone seine Töchter gern<br />

bezeichnet hatte. Wieder einmal trete ich in deine Fußstapfen, Yel. Sich<br />

als attraktive Frau in einem von, sagen wir: haarigen Männern<br />

dominierten Sport zu behaupten, war etwas, das sich verkaufen ließ, und<br />

das Image der »Eiskönigin« schmerzte sie nicht. Das Geschäft versprach<br />

Geld, und nun, da sie alt genug war, von ihren alten, feurigen Idealen mit<br />

einem Schulterzucken und einem Lachen Abschied zu nehmen, war sie<br />

bereit, dieses Geld zu machen, sogar bereit, in Talkshows aufzutreten,<br />

um mit zweideutigen Anspielungen sich den unvermeidlichen und stets<br />

gleichen Fragen nach dem Liebesleben in achttausend Metern Höhe zu<br />

erwehren. Sich mit derartigen Kapriolen öffentlich zu exponieren,<br />

vertrug sich nur schlecht mit dem Selbstbild, an das sie sich noch immer<br />

leidenschaftlich klammerte: die Vorstellung, dass sie eine geborene<br />

Einzelgängerin war, durch und durch Privatperson, die nicht von den<br />

Zwängen des Geschäftslebens zerrissen werden wollte. Zu ihrem ersten<br />

Streit mit Gibril kam es, weil er in seiner unverblümten Art sagte: »Es ist<br />

okay, vor den Kameras wegzulaufen, solange du weißt, dass sie hinter<br />

dir her sind. Aber angenommen, sie sind nicht mehr hinter dir her?<br />

Vermutlich würdest du kehrtmachen und in die andere Richtung laufen.«<br />

Später, nachdem sie sich versöhnt hatten, zog sie ihn mit ihrer<br />

wachsenden Berühmtheit auf (seit sie als erste sexuell attraktive<br />

Blondine den Everest bezwungen hatte, gab es erheblich mehr Wirbel<br />

um sie, mit der Post kamen Fotos höchst gutaussehender Männer, auch<br />

Einladungen zu exklusiven Soireen plus eine Unmenge abstruser<br />

Beschimpfungen): »Jetzt, da du dich aus dem Geschäft zurückgezogen<br />

hast, könnte ich ja zum Film gehen. Wer weiß. Vielleicht werd’ ich’s<br />

wirklich tun.« Worauf er erwiderte, und sie erschrak über die Schärfe<br />

seiner Worte: »Nur über meine Leiche.«<br />

Trotz ihrer pragmatischen Bereitschaft, in das schmutzige Wasser der<br />

Realität zu springen und in der Strömung mitzuschwimmen, verlor sie<br />

nie das Gefühl, dass ihr an der nächsten Wegbiegung ein furchtbares<br />

Unglück auflauerte - das Vermächtnis des plötzlichen Todes von Vater<br />

und Schwester.<br />

<strong>Die</strong>ses Prickeln zu Berge stehender Haare ließ sie zu einer umsichtigen<br />

Bergsteigerin werden, zu einem »hundertprozentigen Mann«, wie es ihre

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