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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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»Wer soll’s denn sein? Wen wollt ihr seh’n?« Namen werden gebrüllt,<br />

konkurrieren, verschmelzen, bis die versammelte Mannschaft wieder<br />

vereint ist und ein einziges Wort ruft.<br />

Pinkwalla klatscht in die Hände. Hinter ihm teilt sich ein Vorhang,<br />

Assistentinnen in pinkfarben glänzenden Shorts und Trikots rollen einen<br />

gruseligen Schrank heraus: mannshoch mit einer Glasscheibe vorne,<br />

innen beleuchtet – der Mikrowellenherd, inklusive Heißem Stuhl, den<br />

Stammgästen als Höllenküche bekannt. »Okay!« brüllt Pinkwalla. »Es<br />

kann losgehen!«<br />

Assistentinnen gehen auf die Galerie der Hassfiguren zu, stürzen sich auf<br />

das Opfer des heutigen Abends, die, um die Wahrheit zu sagen, am<br />

häufigsten auserlesen wird; mindestens dreimal die Woche. Ihre<br />

dauergewellte Frisur, ihre Perlen, ihr blaues Kostüm.<br />

Maggie-Maggie-Maggie, bellt die Menge.<br />

Brenn-brenn-brenn. <strong>Die</strong> Puppe - die Schießbudenfigur - wird auf den<br />

Heissen Stuhl geschnallt. Pinkwalla drückt auf den Schalter. Und ach,<br />

wie schön sie dahinschmilzt, von innen nach außen, sich auflöst. Dann<br />

ist sie nur noch eine Lache, und ekstatisch seufzt die Menge: geschafft.<br />

»Schluss für heute«, ruft Pinkwalla. Musik erobert die Nacht zurück.<br />

Als Pinkwalla, der Didschäy, sah, was im Schutze der Dunkelheit auf<br />

seinen Transporter kletterte, den zum Hinterausgang des Shaandaar zu<br />

bringen, seine Freunde Hanif und Mishal ihn überredet hatten, erfüllte<br />

Angst vor dem Obi sein Herz; andererseits stellte er mit Freude fest, dass<br />

der mächtige Held seiner zahlreichen Träume ein Lebewesen aus Fleisch<br />

und Blut war. Er stand auf der anderen Straßenseite, unter einer Laterne,<br />

fror, obwohl es nicht besonders kalt war, und rührte sich eine halbe<br />

Stunde nicht von der Stelle, während Mishal und Hanif auf ihn<br />

einredeten, er braucht ein Dach über dem Kopf, wir müssen an seine<br />

Zukunft denken. Dann zuckte er die Schultern, ging hinüber zum<br />

Transporter und ließ den Motor an. Hanif setzte sich nach vorn zu ihm,<br />

Mishal fuhr hinten mit Saladin, vor Blicken geschützt.<br />

Es war fast vier Uhr früh, als sie Chamcha in dem leeren, geschlossenen

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