10.12.2012 Aufrufe

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Anahita ließ sich nicht einschüchtern. »O ja«, schrie sie. »O ja, wir<br />

wissen es, glaub ja nicht, dass wir nicht Bescheid wissen. Wie sie jeden<br />

Sonntagvormittag zu den Bhangra Beatshows geht und sich auf der<br />

Toilette in diese ordinären Klamotten schmeißt und mit wem sie in der<br />

Hot-Wax-Disco herumhampelt und -wackelt, von der sie glaubt, ich<br />

hätte noch nie von ihr gehört; was bei diesem Blues passiert ist, zu dem<br />

sie mit Mister Dingsbums, diesem Angeber angeschlichen kam. Wirklich<br />

‘ne tolle Schwester«, und dann das packende Finish: »wird bestimmt<br />

sterben an Wie-heißt’s-noch Chance.« Gemeint war, Chamcha und<br />

Mishal wussten es natürlich - diese Kinoreklame, expressionistische<br />

Grabsteine, die aus Erde und Meer aufragten, hatte sich mit ihrer<br />

Botschaft allen eingeprägt, keine Frage - Aids.<br />

Mishal fiel über ihre Schwester her, zog sie an den Haaren.<br />

Anahita heulte auf, konnte trotzdem noch einen Treffer landen.<br />

»Wenigstens hab’ ich mir nicht so eine verrückte Nadelkissenfrisur<br />

schneiden lassen, wer darauf steht, tickt ja wohl nicht richtig«, und<br />

nachdem die beiden verschwunden waren, überlegte Chamcha, warum<br />

Anahita sich so plötzlich und absolut die Moralvorstellungen ihrer<br />

Mutter zu eigen gemacht hatte. Riecht nach Ärger, schlussfolgerte er.<br />

Der Ärger kam: früh genug.<br />

Wenn er allein war, spürte er immer mehr, wie eine schleichende<br />

Schwere ihn niederdrückte, bis er das Bewusstsein verlor, auslief wie ein<br />

aufgezogenes Spielzeug, und in diesen Phasen der Stase, die immer kurz<br />

vor dem Eintreffen von Besuchern endeten, gab sein Körper<br />

erschreckende Geräusche von sich, das Jaulen infernalischer Wahwahs,<br />

das schnarrende Knacken satanischer Knochen. Das waren die Zeiten, in<br />

denen er ganz allmählich wuchs. Und mit ihm wuchsen auch die<br />

Gerüchte um seine Existenz; man kann nicht einen Teufel in einer<br />

Dachkammer einsperren und glauben, dass niemand davon erfährt.<br />

Wie es herauskam (wer Bescheid wusste, hielt den Mund: die Sufyans,<br />

weil sie finanzielle Einbußen befürchteten, die einstweiligen Wesen, weil<br />

sie sich aus einem Gefühl der Vergänglichkeit der Zeit heraus nicht<br />

imstande sahen zu handeln, und alle Beteiligten aus Furcht vor der<br />

Polizei, die keine Hemmungen hatten derartige Etablissements zu

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!