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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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postmodernen Kritik am Westen, zum Beispiel weiß ich, dass wir es mit<br />

einer Gesellschaft zu tun haben, die nur noch zum Plagiat fähig ist: eine<br />

verflachte Welt.<br />

Wenn ich die Stimme einer Schaumbadflasche bin, betrete ich<br />

wissentlich dieses Flachland, mir ist klar, was ich tue und warum. Will<br />

sagen: ich verdiene Geld. Und als intelligente Frau, die fünfzehn<br />

Minuten über die Stoiker reden kann und noch länger über den<br />

japanischen Film, sage ich dir, Chamcha, dass ich mir über Billyboys<br />

Ruf völlig im Klaren bin. Komm mir nicht mit Ausbeutung. Wir wurden<br />

ausgebeutet, als ihr noch in Fellen rumgelaufen seid. Stell dir mal vor, du<br />

bist eine Jüdin und obendrein noch hässlich. Du wirst darum betteln,<br />

schwarz zu sein. Entschuldige: braun.«<br />

»Du gibst also zu, dass er dich ausbeutet«, fuhr Chamcha fort, doch ein<br />

Wortschwall fegte ihn beiseite. »Na und, was macht das schon?« trillerte<br />

sie in ihrer Backmischungsstimme. »Billy ist ein komischer Kerl, der<br />

geborene Gauner, einer der ganz Großen. Wer weiß, wie lange noch. Ich<br />

werd’ dir sagen, worauf ich verzichten kann: Patriotismus, Gott und<br />

Liebe. Kein Bedarf.<br />

Ich mag Billy, weil er weiß, worauf es ankommt.«<br />

»Mimi«, sagte er, »mit mir ist etwas passiert.« Aber sie ereiferte sich<br />

immer noch und überhörte ihn. Er legte den Hörer auf, ohne ihr seine<br />

Adresse gegeben zu haben.<br />

Ein paar Wochen später rief sie noch einmal an, die unausgesprochenen<br />

Präzedenzfälle waren inzwischen geschaffen, sie erkundigte sich nicht<br />

nach seiner Adresse, und er gab sie ihr nicht, und beiden war klar, dass<br />

eine Epoche zu Ende war, ihre Wege hatten sich getrennt, es war Zeit,<br />

einander Lebewohl zu sagen. Bei Mimi drehte sich noch immer alles um<br />

Billy, seine Pläne, indische Filme in England und Amerika zu<br />

produzieren, die größten Stars, Vinod Khanna und Sridevi, einzufliegen<br />

und sie vor dem Rathaus von Bradford und der Golden Gate Brücke<br />

herumhüpfen zu lassen. »Ist natürlich irgendeine Art Steuertrick«,<br />

kicherte Mimi. Tatsächlich war es für Billy brenzlig geworden; Chamcha<br />

hatte seinen Namen in der Zeitung gelesen, im Zusammenhang mit den<br />

Ausdrücken Betrugsdezernat und Steuerflucht. Aber einmal ein Gauner,<br />

immer ein Gauner, meinte Mimi. »Da sagt er zu mir, willst du einen<br />

Nerz? Ich sag’, Billy, kauf mir keine Klamotten, aber er sagt, wer redet

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