10.12.2012 Aufrufe

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

locker über einem T-Shirt mit dem Bild der neuen Madonna, aus ihrem<br />

Schlafzimmer, erblickten den armen Saladin und schüttelten den Kopf in<br />

großäugigem Entzücken.<br />

»Stark«, sagte Mishal voller Bewunderung, und ihre Schwester nickte<br />

zustimmend: »Astrein! Affengeil!«, ohne diesmal von ihrer Mutter<br />

wegen dieser Ausdrucksweise getadelt zu werden, denn Hind war mit<br />

den Gedanken woanders, klagte lauter als zuvor. »Schaut euch meinen<br />

Mann an! Was für ein Hadschi! Hier kommt der Schaitan persönlich zur<br />

Tür hereinspaziert, und ich soll ihm heiße Hühner Yakhni zu essen<br />

geben, die ich selbst mit der rechten Hand zubereitet habe!«<br />

Jeder Versuch Jumpy Joshis, Hind um Toleranz und Solidarität zu bitten,<br />

ihr etwas zu erklären, wäre jetzt zwecklos gewesen. »Wenn er nicht der<br />

Teufel auf Erden ist«, rief die Dame mit wogender Brust und<br />

unwiderlegbarer Logik, »woher kommt diese Pestbeule dann? Etwa aus<br />

dem Garten der Wohlgerüche?«<br />

»Bostan, nicht Gulistan«, sagte Chamcha plötzlich. »Flug AJ-420.« Als<br />

Hind aber seine Stimme hörte, kreischte sie furchtbar auf und stürzte an<br />

ihm vorbei, in Richtung Küche.<br />

»Mister«, sagte Mishal zu Saladin, während ihre Mutter die Treppe<br />

hinunterfloh, »jeder, der ihr einen solchen Schrecken einjagt, muss<br />

wirklich böse sein.«<br />

»Niederträchtig«, stimmte Anahita zu. »Willkommen an Bord.«<br />

<strong>Die</strong>se Hind, jetzt so tief in der exklamatorischen Tonart verwurzelt, war<br />

früher - seltsam aber wahr - ein überaus schüchternes Mädchen gewesen,<br />

eine Seele von Sanftmut, der Inbegriff von Toleranz und guter Laune.<br />

Als Frau des belesenen Lehrers aus Dacka hatte sie bereitwillig ihre<br />

Pflichten erfüllt, sie war die vollkommene Ehegefährtin gewesen, die<br />

ihrem Mann, wenn er spätabends noch Prüfungsarbeiten korrigierte, mit<br />

Kardamom gewürzten Tee brachte, die sich bei den regelmäßigen<br />

Ausflügen des Lehrerkollegiums beim Schuldirektor einschmeichelte,<br />

die sich mit den Romanen von Bibhutibhushan Banerji und der<br />

Metaphysik des Tagore herumplagte, um einem Ehemann würdig zu<br />

sein, der aus dem Rig-Veda ebenso mühelos zitieren konnte wie aus dem<br />

Koran, den Kriegsberichten des Julius Caesar oder der Offenbarung des

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!