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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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»Es ist unglaublich«, schrie Said. »Mishal, Mishu, bist du das? Ganz<br />

plötzlich hast du dich in eine gottgläubige Gestalt aus grauer Vorzeit<br />

verwandelt?«<br />

Mrs. Qureishi sagte: »Geh, mein Sohn. Hier ist kein Platz für<br />

Ungläubige. Der Engel hat Aischa gesagt, wenn Mishal die Pilgerreise<br />

nach Mekka vollendet, wird ihr Krebs verschwunden sein. Alles wird<br />

verlangt, und alles wird gegeben werden.«<br />

Mirza Said Akhtar legte seine Hände an eine Wand des Schlafzimmers<br />

und presste die Stirn gegen den Verputz. Nach einer langen Pause sagte<br />

er: »Wenn es darum geht, Umra zu vollziehen, dann lasse uns um<br />

Himmels willen in die Stadt fahren und ins nächste Flugzeug steigen. In<br />

ein paar Tagen können wir in Mekka sein.«<br />

Mishal antwortete: »Es ist uns befohlen, zu Fuß zu gehen.«<br />

Said verlor die Beherrschung. »Mishal? Mishal?« kreischte er.<br />

»Befohlen? Erzengel, Mishu? Gibril? Gott mit weißem Bart und Engel<br />

mit Flügeln? Himmel und Hölle, Mishal? Der Teufel mit einem spitzen<br />

Schwanz und gespaltenem Fuß? Wie weit willst du damit noch gehen?<br />

Haben Frauen eine Seele, was meinst du? Oder andersherum: haben<br />

Seelen ein Geschlecht? Ist Gott schwarz oder weiß? Wenn sich die<br />

Wasser des Meeres teilen, wohin geht dann das Extra-Wasser? Richtet es<br />

sich zu beiden Seiten auf, wie Mauern? Mishal? Antworte mir. Gibt es<br />

Wunder? Glaubst du ans Paradies? Werden mir meine Sünden vergeben<br />

werden?« Er begann zu weinen und fiel auf die Knie; den Kopf drückte<br />

er noch immer gegen die Wand. Seine sterbende Frau trat zu ihm und<br />

umarmte ihn von hinten. »Dann geh mit auf die Pilgerfahrt«, sagte er<br />

matt. »Aber nimm wenigstens den Mercedes Kombi mit. Er hat<br />

Klimaanlage, und du kannst dir eine Kühltasche mit Cola einpacken.«<br />

»Nein«, sagte sie sanft. »Wir werden zu Fuß gehen, wie alle anderen.<br />

Wir sind Pilger, Said. <strong>Die</strong>s ist kein Picknick am Strand.«<br />

»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, weinte Mirza Said Akhtar.<br />

»Mishu, damit komme ich nicht allein klar.«<br />

Aischa sprach vom Bett aus. »Mirza Sahib, komm mit uns«, sagte sie.<br />

»Deine Ideen haben ausgedient. Komm mit und rette deine Seele.«<br />

Said stand auf, mit roten Augen. »Einen verdammten Ausflug wolltest<br />

du«, sagte er boshaft zu Mrs. Qureishi. »Na, der Schuss ging nach hinten<br />

los. Dein Ausflug wird uns fertigmachen, alle sieben Generationen,

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