10.12.2012 Aufrufe

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Am nächsten Morgen erwachte Mirza Said Akhtar in einem Haus, in<br />

dem es ungewöhnlich still war, und als er nach den <strong>Die</strong>nern rief, erhielt<br />

er keine Antwort. <strong>Die</strong> Stille hatte sich auch über die Kartoffelfelder<br />

gebreitet; aber unter dem riesigen, ausladenden Dach des Baumes von<br />

Tithpur herrschte geschäftiges Treiben. Der Panchayat hatte sich<br />

einstimmig dafür ausgesprochen, dem Befehl des Erzengels Gibril Folge<br />

zu leisten, und die Dorfbewohner bereiteten sich auf die Abreise vor.<br />

Zunächst wollte der Sarpanch den Zimmermann Isa einige Sänften bauen<br />

lassen, die von Ochsen gezogen werden und auf denen die Alten und<br />

Gebrechlichen reisen sollten, aber seine eigene Frau hatte diese Idee über<br />

den Haufen geworfen, indem sie sagte: »Du hörst nicht zu, Sarpanch<br />

Sahibji! Hat der Engel nicht gesagt, dass wir zu Fuß gehen müssen? Nun,<br />

dann müssen wir das auch tun.« Nur die kleinsten Kinder waren vom<br />

Fußmarsch ausgenommen und würden (so war beschlossen worden) von<br />

allen Erwachsenen reihum auf dem Rücken getragen werden. <strong>Die</strong><br />

Dorfbewohner hatten ihre Lebensmittel zusammengetragen, und<br />

Kartoffeln, Linsen, Reis, bittere Kürbisse, Chilis, Auberginen und<br />

anderes Gemüse häuften sich neben dem Panchayat-Ast. <strong>Die</strong> Last des<br />

Proviants würde unter allen Pilgern gleichmäßig verteilt werden.<br />

Auch Kochgeschirr wurde gesammelt und alles Bettzeug, das sich finden<br />

ließ. Lasttiere wollte man mitnehmen und ein paar Karren mit lebenden<br />

Hühnern und dergleichen, aber im allgemeinen folgten die Pilger der<br />

Anweisung des Sarpanch, ihr persönliches Reisegepäck auf ein<br />

Minimum zu beschränken.<br />

<strong>Die</strong> Vorbereitungen waren vor Morgengrauen angelaufen und daher zu<br />

dem Zeitpunkt, als ein erzürnter Mirza Said ins Dorf stürmte, schon weit<br />

fortgeschritten. Eine Dreiviertelstunde lang verzögerte der Zamindar den<br />

Fortgang, indem er zornige Reden schwang und einzelne Dörfler an den<br />

Schultern packte und schüttelte, aber dann gab er zum Glück auf und<br />

ging, so dass die Arbeit mit der früheren Schnelligkeit fortgesetzt werden<br />

konnte.<br />

Als der Mirza das Dorf verließ, schlug er sich mehrmals gegen den Kopf<br />

und verfluchte die Leute unter anderem als Bekloppte und Einfaltspinsel<br />

und dergleichen mehr, aber er war schon immer ein gottloser Mensch<br />

gewesen, der schwache Letzte eines starken Geschlechts, und er musste

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!