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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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lag man in Peristan; doch selbst gut gepolsterte Existenzen sind vor<br />

schweren Schlägen nicht gefeit.<br />

<strong>Die</strong> Entdeckung, dass seine Frau den größten Teil ihrer Zeit hinter<br />

verschlossenen Türen mit Aischa verbrachte, erfüllte den Mirza mit einer<br />

unerträglichen Irritation, einem Ekzem des Geistes, das ihn verrückt<br />

machte, weil er nicht daran kratzen konnte. Mishal hoffte, dass der<br />

Erzengel, Aischas Mann, ihr ein Kind gewähren würde, da sie dies ihrem<br />

Mann aber nicht sagen konnte, wurde sie verdrießlich und zuckte bloß<br />

die Achseln, wenn er sie fragte, warum sie so viel Zeit mit dem<br />

verrücktesten Mädchen vom Dorf verschwendete. Mishals ungewohnte<br />

Zurückhaltung verschlimmerte den Juckreiz in Mirza Saids Herz und<br />

ließ ihn dazu noch eifersüchtig werden, obgleich er nicht wusste, ob er<br />

nun auf Mishal oder Aischa eifersüchtig war. Erst jetzt bemerkte er, dass<br />

die Herrin der Schmetterlinge Augen im selben schimmernden Grauton<br />

hatte wie seine Frau, und aus irgendeinem Grund ärgerte ihn auch das,<br />

als wäre es ein Beweis dafür, dass die Frauen sich gegen ihn<br />

verschworen, sich weiß Gott welche Geheimnisse zuflüsterten: vielleicht<br />

plapperten und schnatterten sie ja über ihn! <strong>Die</strong> häusliche<br />

Geschlechtertrennung hatte sich als Reinfall erwiesen; selbst Mrs.<br />

Qureishi, der alte Wackelpudding, war auf Aischa hereingefallen. Ein<br />

schönes Dreiergespann, dachte Mirza Said; sobald der Hokuspokus zur<br />

Tür hereinkommt, verschwindet der gesunde Menschenverstand durchs<br />

Fenster.<br />

Und Aischa: wenn sie dem Mirza auf dem Balkon begegnete oder im<br />

Garten, wo er herumwanderte und Urdu-Liebesgedichte las, war sie stets<br />

ehrerbietig und scheu; aber ihr gutes Benehmen, in dem nicht ein<br />

Fünkchen erotischen Interesses erkennbar war, trieb Said nur noch tiefer<br />

in ratlose Verzweiflung. Und so kam es, dass er an jenem Tag, als er<br />

Aischa in die Gemächer seiner Frau huschen sah und ein paar Minuten<br />

später den melodramatischen, schrillen Schrei seiner Schwiegermutter<br />

hörte, von einer Anwandlung störrischer Rachsucht ergriffen wurde und<br />

absichtlich volle drei Minuten wartete, bevor er nachsehen ging. Im<br />

Schlafgemach stand Mrs.<br />

Qureishi, raufte sich die Haare und schluchzte wie ein Filmstar, während

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