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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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Aufgaben zu konzentrieren, und außerdem, in der Stadt, »werden wir<br />

auch weiterhin ganz modern leben.«<br />

Daraus schloss sie, dass die Stadt für den Mirza voller Ablenkungen war,<br />

so dass ihre Chancen zu empfangen, hier in Titlipur am größten waren.<br />

Sie beschloss, dort zu bleiben. Und aus diesem Grunde lud sie ihre<br />

Mutter zu sich ein, denn wenn sie sich nur in den Frauengemächern<br />

aufhielt, würde sie Gesellschaft brauchen. Mrs. Qureishi traf<br />

schwabbelnd vor praller Wut ein, entschlossen, ihrem Schwiegersohn<br />

solange mit Schimpftiraden in den Ohren zu liegen, bis er diesen<br />

Purdah-Blödsinn aufgab, aber Mishal erstaunte ihre Mutter mit der Bitte:<br />

»Bitte, tu’s nicht.« Mrs. Qureishi, die Frau des Direktors der Staatsbank,<br />

war eine Frau von Welt. »Ach, Mishu, deine ganze Jugend über warst du<br />

eine graue Maus, während ich alles mitgemacht habe; und jetzt dachte<br />

ich, du hättest dich aus diesem Graben herausgezogen, aber siehe da, er<br />

hat dich wieder voll hineingestoßen.« Schon seit jeher war die Frau des<br />

Bankiers der Meinung gewesen, insgeheim sei ihr Schwiegersohn ein<br />

alter Geizkragen - eine Meinung, die all die Jahre überdauert hatte,<br />

obgleich sie durch keinerlei Beweise bestätigt worden war. Mrs.<br />

Qureishi setzte sich über das Veto ihrer Tochter hinweg und ging den<br />

Mirza Said suchen, fand ihn in den Parkanlagen, stellte ihn zur Rede und<br />

ließ nachdrücklich, wie das so ihre Art war, ihre Leibesfülle erzittern.<br />

»Was für ein Leben führst du eigentlich?« wollte sie wissen. »Meine<br />

Tochter ist nicht zum Einsperren da, sondern zum Ausführen! Wofür<br />

hast du denn dein ganzes Vermögen, wenn du es nur hinter Schloss und<br />

Riegel hältst? Mein Sohn, öffne Geldbeutel und Türen und lasse deine<br />

Frau heraus! Nimm sie irgendwohin mit, erneuere deine Liebe zu ihr auf<br />

irgendeinem amüsanten Ausflug!« Mirza Said machte den Mund auf,<br />

fand keine Antwort, schloss ihn wieder. Geblendet von ihrer eigenen<br />

Redekunst, begann Mrs. Qureishi sofort, sich für ihr neues Thema, die<br />

Idee eines Ferientages, zu erwärmen. »Schwing dich auf und geh!«<br />

drängte sie. »Geh, mein Sohn, geh! Geh mit ihr irgendwohin, oder willst<br />

du sie so lange einsperren, bis sie weggeht« - hier streckte sie einen<br />

Finger unheilverkündend zum Himmel -, »und zwar für immer?«<br />

Schuldbewusst versprach Mirza Said, über die Sache nachzudenken.<br />

»Worauf wartest du noch?« rief sie triumphierend. »Du großer<br />

Weichling? Du… du Hamlet?«

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