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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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Verlangen, »als würde das Leben tatsächlich erst mit vierzig beginnen«,<br />

staunte seine Frau. Ihr Eheleben wurde so vital, dass die <strong>Die</strong>ner dreimal<br />

am Tag die Bettlaken wechseln mussten. Mishal hoffte insgeheim, dass<br />

die derart gestärkte Libido ihres Mannes bei ihr zur Empfängnis führen<br />

würde, denn sie war der festen Überzeugung, dass Begeisterung dazu<br />

gehörte, ganz gleich, was die Ärzte dagegen sagen mochten, und dass sie<br />

in den Jahren, in denen sie jeden Morgen vor dem Aufstehen ihre<br />

Temperatur gemessen und dann die Ergebnisse auf Millimeterpapier<br />

eingetragen hatte, um ihren Eisprung zu ermitteln, in Wirklichkeit die<br />

Babys davon abgehalten hatte, geboren zu werden, teils weil es<br />

schwierig war, die rechte Leidenschaft aufzubringen, wenn die<br />

Wissenschaft mit ins Bett ging, teils aber auch, weil ihrer Ansicht nach<br />

kein Fötus mit gesunder Selbstachtung sich wünschen konnte, im Schoß<br />

einer so mechanisch vorprogrammierten Mutter zu liegen. Mishal betete<br />

immer noch um ein Kind, obwohl sie darüber längst nicht mehr mit Said<br />

sprach, weil sie ihm das Gefühl ersparen wollte, in dieser Hinsicht<br />

versagt zu haben. Mit geschlossenen Augen, Schlaf vortäuschend,<br />

pflegte sie Gott um ein Zeichen zu bitten, und als Said so häufig so<br />

zärtlich wurde, fragte sie sich, ob dies nicht vielleicht das erhoffte<br />

Zeichen sei. Und daher hatte sie sein seltsames Anliegen, sie möge sich<br />

von jetzt an bei ihren Aufenthalten in Peristan »nach alter Sitte« in die<br />

Frauengemächer zurückziehen, nicht mit der Verachtung aufgenommen,<br />

die es verdiente. In der Stadt, wo sie ein großes und gastfreundliches<br />

Haus führten, waren der Zamindar und seine Frau als eines der<br />

»modernsten« und »schicksten« Paare der Szene bekannt; sie sammelten<br />

zeitgenössische Kunst und gaben wilde Partys und luden Freunde ein, im<br />

Dunkeln herumzufummeln, während sie sich Softporno-Videos ansahen.<br />

Als Mirza Said dann sagte: »Wäre es nicht höchst ergötzlich, Mishu,<br />

wenn wir unser Verhalten diesem alten Hause anpassten«, hätte sie ihm<br />

ins Gesicht lachen müssen. Statt dessen antwortete sie: »Wie du willst,<br />

Said«, denn er gab ihr zu verstehen, dass es sich dabei um eine Art<br />

erotisches Spiel handele. Ja, er deutete sogar an, seine Leidenschaft für<br />

sie sei so überwältigend geworden, dass sie ihn jederzeit überkommen<br />

könne, und wenn dies in aller Öffentlichkeit geschehe, könne es dem<br />

Personal vielleicht peinlich sein; in jedem Fall würde dessen<br />

Anwesenheit es ihm unmöglich machen, sich auf irgendeine seiner

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