10.12.2012 Aufrufe

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

da ihm manche seiner nächtlichen Sagas erträglicher erscheinen als<br />

andere, und nach der Apokalypse des Imam ist er nahezu erfreut, als die<br />

nächste Geschichte beginnt, die sein inneres Repertoire erweitert, denn<br />

zumindest legt sie den Schluss nahe, dass die Gottheit, die er, Gibril,<br />

erfolglos zu töten versucht hat, auch eine Göttin der Liebe sein kann,<br />

nicht nur eine Göttin der Rache, der Macht, der Pflicht, der Regeln und<br />

des Hasses; und es ist auch so etwas wie eine nostalgische Geschichte<br />

von einem verlorenen Heimatland; wie eine Rückkehr in die<br />

Vergangenheit… was für eine Geschichte ist das? Einen Moment noch.<br />

Um mit dem Anfang anzufangen: Am Morgen seines vierzigsten<br />

Geburtstags, in einem Raum voller Schmetterlinge, betrachtete Mirza<br />

Said Akhtar seine schlafende Frau…<br />

An dem schicksalsschweren Morgen seines vierzigsten Geburtstags, in<br />

einem Raum voller Schmetterlinge, wachte der Zamindar Mirza Said<br />

Akhtar über seine schlafende Frau und fühlte, wie sich sein Herz bis zum<br />

Zerreißen mit Liebe füllte. Er war ausnahmsweise früh erwacht und vor<br />

Tagesanbruch aufgestanden, nach einem schlimmen Traum, der einen<br />

bitteren Nachgeschmack in seinem Mund hinterlassen hatte, einen immer<br />

wiederkehrenden Traum vom Ende der Welt, in dem unweigerlich er die<br />

Schuld an der Katastrophe trug. Am Abend zuvor hatte er Nietzsche<br />

gelesen - ›Der Mensch, eine kleine, überspannte Tierart, die -<br />

glücklicherweise - ihre Zeit hat‹ - und war eingeschlafen, mit dem<br />

aufgeschlagenen Buch auf der Brust. Als er in dem kühlen, schattigen<br />

Schlafzimmer vom Rascheln der Schmetterlingsflügel geweckt wurde,<br />

ärgerte er sich darüber, bei der Wahl seiner Bettlektüre so unvorsichtig<br />

gewesen zu sein. Doch jetzt war er hellwach. Er stand leise auf, schlüpfte<br />

in seine Chappals und schlenderte gemächlich über die Veranden des<br />

großen Herrenhauses, die hinter den geschlossenen Rollläden noch im<br />

Dunkeln lagen und die Schmetterlinge tanzten hinter ihm her wie<br />

Höflinge. In weiter Ferne spielte jemand Flöte. Mirza Said zog die<br />

Rollläden hoch und machte die Schnüre fest. In den Gärten hing noch<br />

Nebel, durch den die Schmetterlingswolken wirbelten: Nebelschwaden,<br />

die sich mit Nebelschwaden kreuzten. <strong>Die</strong>se abgelegene Gegend war seit<br />

jeher berühmt für ihre Falter, diese wundersamen Geschwader, die die

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!