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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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silbrig glänzende Sofas mit Flossen wie alte Buicks DeSotos<br />

Oldsmobiles, verglaste Bücherschränke, die keine Bücher, sondern<br />

Ordner mit Zeitungsausschnitten enthalten. Im Exil wird es siedendheiß<br />

unter der Dusche, wenn in der Küche jemand einen Wasserhahn<br />

aufdreht, so dass immer dann, wenn der Imam ein Bad nimmt, sein<br />

gesamtes Gefolge daran denken muss, keine Kessel zu füllen, keinen<br />

schmutzigen Teller abzuspülen, und wenn der Imam auf die Toilette<br />

geht, springen seine Jünger mit verbrühter Haut aus der Dusche. Im Exil<br />

wird nie gekocht; die Leibwächter mit den dunklen Brillen holen das<br />

Essen. Im Exil sehen alle Versuche, Wurzeln zu schlagen, wie Verrat<br />

aus: sie sind Eingeständnisse der Niederlage.<br />

Der Imam ist das Zentrum eines Kreises.<br />

Er strahlt Bewegung aus, rund um die Uhr. Sein Sohn Khalid betritt das<br />

Allerheiligste; er bringt ihm ein Glas Wasser, trägt es mit der rechten<br />

Hand, hält die Linke unter das Glas. Der Imam trinkt ständig Wasser,<br />

alle fünf Minuten ein Glas, um sich sauberzuhalten; das Wasser wird,<br />

bevor er daran nippt, mit Hilfe eines amerikanischen Filterapparates von<br />

allen Verunreinigungen befreit. <strong>Die</strong> jungen Männer, mit denen er sich<br />

umgibt, kennen seine berühmte Monographie über das Wasser, dessen<br />

Reinheit, die sich, wie der Imam glaubt, dem Trinkenden mitteilt, seine<br />

Dünnflüssigkeit und Schlichtheit, die asketischen Freuden seines<br />

Geschmacks. »<strong>Die</strong> Kaiserin«, betont er, »trinkt Wein.« Burgunder,<br />

Bordeaux, weißer Rheinwein verteilen ihre berauschenden,<br />

verderblichen Einflüsse in diesem schönen und zugleich schmutzigen<br />

Körper.<br />

Genug an Sünden, um sie für alle Zeit zu verurteilen, ohne Hoffnung auf<br />

Erlösung. Das Bild an seiner Schlafzimmerwand zeigt die Kaiserin<br />

Aischa, wie sie mit beiden Händen einen menschlichen Schädel hält, der<br />

mit dunkelroter Flüssigkeit gefüllt ist. <strong>Die</strong> Kaiserin trinkt Blut, aber der<br />

Imam ist ein Mann des Wassers. »Nicht umsonst behandeln die Völker<br />

unserer heißen Länder es mit Ehrfurcht«, heißt es in der Monographie.<br />

»Wasser, Bewahrer des Lebens. Kein zivilisierter Mensch kann es einem<br />

anderen verweigern. Eine Großmutter - mögen ihre Glieder noch so steif<br />

sein vom Rheuma - wird sich sofort erheben und zum Wasserhahn<br />

gehen, wenn ein kleines Kind zu ihr kommt und bittet, Pani, Nani. <strong>Die</strong><br />

ihr es nicht achtet, hütet euch! Wer es verunreinigt, schwächt seine

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