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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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diesem Sodom gegenüber vollkommen ignorant geblieben ist; ignorant<br />

und dabei unbefleckt, unverändert, rein.<br />

Und ein weiterer Grund für die zugezogenen Vorhänge ist der, dass es<br />

um ihn herum natürlich viele Augen und Ohren gibt, die ihm nicht alle<br />

wohlgesonnen sind. <strong>Die</strong> orangefarbenen Gebäude sind nicht neutral.<br />

Irgendwo auf der anderen Straßenseite wird es Zoomobjektive geben,<br />

Videoausrüstungen, Riesenmikrofone; und immer das Risiko von<br />

Heckenschützen. Über und unter und neben dem Imam liegen die<br />

unbedenklichen Wohnungen, in denen seine Wachen einquartiert sind,<br />

die als Frauen verkleidet durch die Straßen von Kensington bummeln,<br />

verschleiert und mit silbrig schimmernden Hakennasen; aber<br />

übervorsichtig zu sein hat auch sein Gutes. Für den Mann im Exil ist<br />

Paranoia eine Vorbedingung des Überlebens.<br />

Eine Fabel, die er von einem seiner Günstlinge gehört hat, dem<br />

amerikanischen Konvertiten, der einmal ein erfolgreicher Sänger war<br />

und jetzt als Bilal X bekannt ist: In einem Nachtclub, zu dem der Imam<br />

regelmäßig seine Statthalter schickt, um zu erfahren, was gewisse andere<br />

Personen sagen, die zu gewissen Oppositionsgruppen gehören, lernte<br />

Bilal einen jungen Mann aus Desch kennen, ebenfalls eine Art Sänger,<br />

also kamen die beiden ins Gespräch. Es stellte sich heraus, dass dieser<br />

Mahmud ein schrecklich verängstigter Mensch war.<br />

Er hatte sich vor kurzem mit einer Gori zusammengetan, einer<br />

großgewachsenen, rothaarigen Frau mit üppiger Figur, und dann stellte<br />

sich heraus, dass der vorherige Liebhaber seiner angebeteten Renata der<br />

Exilchef der SAVAK war, der Folterorganisation des Schahs von<br />

Persien. Und zwar die Nummer Eins, der Obermufti, nicht irgendein<br />

unbedeutender Sadist mit einem besonderen Talent für das Herausreißen<br />

von Zehennägeln oder das Ansengen von Augenlidern, sondern der<br />

berühmte Haramzada höchstpersönlich. Am Tag, nachdem Mahmud und<br />

Renata in ihre neue Wohnung gezogen waren, kam ein Brief für<br />

Mahmud. Hallo, Scheissefresser, du fickst also meine Frau, ich wollte<br />

mich nur mal bei dir melden. Am nächsten Tag kam ein zweiter Brief.<br />

Übrigens, du Drecksack, ich hab’ vergessen, dir deine neue<br />

Telefonnummer zu geben.<br />

Zu diesem Zeitpunkt hatten Mahmud und Renata bei der<br />

Telefongesellschaft um eine Geheimnummer gebeten, diese neue

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