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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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Café noch fast leer, abgesehen von einer dicken Dame, die eine<br />

Schachtel Pista Barfi und Jalebis kaufte, ein paar unverheirateten<br />

Textilarbeitern, die Chaloo Chai tranken, und einer älteren Polin, die aus<br />

jenen Tagen stammte, als die Juden noch die Nähstuben in der Gegend<br />

betrieben, und die den ganzen Tag lang mit zwei Gemüse-Samosas,<br />

einem Puri und einem Glas Milch in der Ecke saß und jedem, der<br />

hereinkam, verkündete, dass sie bloß da war, weil »es fast so gut ist wie<br />

koscheres Essen und man immer versuchen sollte, was Gutes zu<br />

kriegen«. Jumpy setzte sich mit einem Kaffee unter das schauderhafte<br />

Gemälde einer barbusigen Sagengestalt mit mehreren Köpfen und<br />

Wolkenstreifen, die ihre Brustwarzen verbargen, lebensgroß und in<br />

Lachsrosa, Neongrün und Gold ausgeführt, und weil noch kein<br />

Hochbetrieb herrschte, fiel Mr. Sufyan auf, dass er niedergeschlagen<br />

war.<br />

»He, Sankt Jumpy«, rief er laut, »du machst ein Gesicht wie drei Tage<br />

Regenwetter. Regnets in diesem Land nicht sowieso schon genug?«<br />

Jumpy wurde rot, als Sufyan zu ihm herübergelaufen kam, der die kleine<br />

weiße Gebetsmütze wie üblich an der richtigen Stelle befestigt hatte und<br />

den Backenbart seit der kürzlichen Pilgerfahrt nach Mekka hennarot<br />

färbte. Muhammed Sufyan war ein stämmiger Bursche mit dicken<br />

Unterarmen und einem mächtigen Bauch, ein überaus gottesfürchtiger<br />

und unfanatischer Gläubiger; und für Joshi war er so etwas wie ein<br />

älterer Verwandter. »Hör mal, Onkel«, sagte er, als der Café-Besitzer<br />

sich zu ihm beugte, »hältst du mich auch für einen echten Idioten oder<br />

was?«<br />

»Kommst du hin und wieder mal zu Geld?« fragte Sufyan.<br />

»Ich doch nicht, Onkel.«<br />

»Machst du hin und wieder mal Geschäfte? Import-Export?<br />

Im Stehausschank? Im Laden an der Ecke?«<br />

»Ich hab nie was von Zahlen verstanden.«<br />

»Und wo ist deine Familie?«<br />

»Ich hab’ keine Familie, Onkel. Ich bin ganz allein.«<br />

»Dann wirst du wohl ständig zu Gott beten, dass er dir in deiner<br />

Einsamkeit beisteht?<br />

»Du kennst mich doch, Onkel. Ich bete nicht.«<br />

»Keine Frage«, meinte Sufyan abschließend. »Du bist sogar ein noch

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