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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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Krankengymnastin Hyacinth eintrug.<br />

»Sie vergeuden nur meine Zeit«, sagte sie. »Ich sollte jetzt mit Ihrer<br />

rechten Lunge fertig sein, und stattdessen fange ich gerade erst an.<br />

Werden Sie sich jetzt benehmen oder nicht?«<br />

Sie war rittlings auf ihm sitzengeblieben, hüpfte auf und ab, während<br />

sein Körper sich krümmte, wie eine Rodeo-Reiterin, die sich bis zum<br />

Neun-Sekunden-Gong festhielt. Da gab er sich geschlagen und ließ zu,<br />

dass sie die grüne Flüssigkeit aus seinen Lungen presste. Und als sie<br />

fertig war, musste er zugeben, dass er sich ein ganzes Stück besser<br />

fühlte. Sie nahm die kleine Schachtel, die jetzt halb voll mit Schleim<br />

war, und sagte fröhlich: »Sie werden im Handumdrehen wieder stehen«,<br />

und dann wurde sie rot vor Verwirrung und entschuldigte sich:<br />

»Tut mir leid«, und floh, ohne daran zu denken, die Wandschirme vor<br />

seinem Bett zurückzuziehen.<br />

»Zeit für eine Analyse der Lage«, sagte er sich. Eine schnelle physische<br />

Untersuchung ergab, dass seine neue mutierte Verfassung unverändert<br />

geblieben war. <strong>Die</strong>s dämpfte seine Stimmung, und er merkte, dass er<br />

halb gehofft hatte, der Alptraum würde enden, während er noch schlief.<br />

Er war mit einem ihm unbekannten neuen Pyjama bekleidet, in einer<br />

einheitlich hellgrünen Farbe, die sowohl zu dem Stoff der Schirme als<br />

auch zu dem passte, was er an Wänden und Decke dieser rätselhaften,<br />

anonymen Station sehen konnte. Seine Beine endeten immer noch in<br />

diesen schrecklichen Hufen, und die Hörner an seinem Kopf waren<br />

genauso spitz wie zuvor…<br />

aber was ihn dann von dieser unerfreulichen Bestandsaufnahme<br />

ablenkte, war die Stimme eines Mannes ganz in seiner Nähe, der unter<br />

herzzerreißenden Schmerzen ausrief: »Oh, wenn je ein Leib gelitten<br />

hat…!«<br />

»Was in aller Welt soll denn das?« dachte Chamcha und beschloss, der<br />

Sache nachzugehen. Doch jetzt drangen viele andere, ebenso<br />

beunruhigende Geräusche an sein Ohr. Es schien ihm, als könne er alle<br />

möglichen Tierlaute hören: das Schnauben von Stieren, das Schnattern<br />

von Affen, selbst das »Süße-Polly«-Gekreisch von Papageien oder<br />

sprechenden Wellensittichen. Dann vernahm er aus einer anderen<br />

Richtung das Stöhnen und Schreien einer Frau; es klang, als läge sie in<br />

den letzten, schmerzhaften Wehen; und kurz darauf folgte das Geheul

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