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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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hörte die geisterhafte Stimme von Dr. Babington in sein Ohr murmeln:<br />

»<strong>Die</strong> erste Distelplage seit fünfzig Jahren. Es scheint, dass die<br />

Vergangenheit zurückkehrt.« Er sah eine Frau durch die dichte, wogende<br />

Wildnis laufen, barfuß, mit offenem dunklen Haar. »Sie war es«, erklang<br />

Rosas Stimme deutlich vernehmbar hinter ihm.<br />

»Nachdem sie ihn mit dem Geier betrogen und zum Mörder gemacht<br />

hatte. Danach hat er sie nie mehr eines Blickes gewürdigt. O ja, sie hat<br />

dafür gesorgt. Eine ganz Gefährliche war das. Eine ganz Gefährliche.«<br />

Gibril verlor Aurora del Sol zwischen den Disteln aus den Augen; ein<br />

Trugbild verdunkelte das andere.<br />

Dann spürte er, wie ihn etwas von hinten packte, ihn herumwirbelte und<br />

flach auf den Rücken warf. Es war niemand zu sehen, aber Rosa<br />

Diamond saß kerzengerade im Bett, starrte ihn mit weit aufgerissenen<br />

Augen an, gab ihm zu verstehen, dass sie die Hoffnung aufgegeben hatte,<br />

sich noch länger ans Leben klammern zu können, und seine Hilfe<br />

brauchte, um ihre letzte Offenbarung zu vollenden. Und wie bei dem<br />

Geschäftsmann in seinen Träumen fühlte er sich hilflos, unwissend… sie<br />

aber schien zu wissen, wie sie die Bilder aus ihm herausziehen konnte.<br />

Dann sah er, was sie beide verband, eine leuchtende Schnur, von Nabel<br />

zu Nabel.<br />

Jetzt war er an einem Teich in der endlos weiten Distelsteppe, ließ sein<br />

Pferd trinken, und sie kam auf ihrer Stute angeritten. Jetzt umarmte er<br />

sie, zog sie aus, löste ihr Haar, und jetzt liebten sie sich. Jetzt flüsterte<br />

sie, wie kannst du mich mögen, ich bin so viel älter als du, und er sprach<br />

tröstende Worte.<br />

Jetzt erhob sie sich, zog sich an, ritt davon, während er blieb, seinen<br />

matten, warmen Körper räkelte und nicht bemerkte, wie sich aus den<br />

Disteln eine Frauenhand heimlich nach seinem Messer mit dem<br />

Silbergriff ausstreckte…<br />

Nein! Nein! Nein, anders!<br />

Jetzt kam sie zum Teich geritten, und in dem Moment, als sie abstieg<br />

und ihn nervös anblickte, fiel er über sie her, sagte ihr, dass er ihre<br />

Zurückweisungen nicht länger ertragen könne, und sie fielen zusammen<br />

auf den Boden, sie schrie, er riss an ihren Kleidern, und ihre Hände, die<br />

sich in seinen Körper krallten, fanden den Griff eines Messers…<br />

Nein! Nein, niemals, nein! Sondern: so!

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