10.12.2012 Aufrufe

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

zu weinen, und dann spielte er seinen alten Trick aus, er zwang meinen<br />

Mund auf und brachte es zuwege, dass die Stimme, die STIMME<br />

abermals aus mir drang, sich über ihn ergoss, wie Erbrochenes.<br />

Nach seinem Ringkampf mit dem Erzengel Gibril sinkt der Prophet<br />

Mahound in den üblichen, erschöpften, postrevelatorischen Schlaf, aber<br />

diesmal erwacht er schneller als sonst. Als er in dieser hochgelegenen<br />

Wildnis wieder zu sich kommt, ist niemand zu sehen, keine geflügelten<br />

Wesen kauern auf Felsen, er springt auf, von der Dringlichkeit der<br />

Neuigkeiten erfüllt. »Es war der Teufel«, sagt er laut zu der leeren Luft,<br />

macht es wahr, indem er es ausspricht. »Das letzte Mal, das war der<br />

Schaitan.« Das ist es, was er beim Zuhören gehört hat, dass er getäuscht<br />

wurde, dass der Teufel als Erzengel verkleidet zu ihm gekommen war, so<br />

dass die <strong>Verse</strong>, die er auswendig lernte, die er im Dichterzelt vortrug,<br />

nicht das Wahre waren, sondern sein diabolisches Gegenteil, nicht<br />

göttlich, sondern satanisch. So schnell er kann, kehrt er in die Stadt<br />

zurück, um die unreinen <strong>Verse</strong> auszumerzen, die nach Schwefel stinken,<br />

um sie für alle Ewigkeit aus den Akten zu streichen, so dass sie nur in<br />

ein oder zwei unzuverlässigen Sammlungen alter Überlieferungen<br />

überdauern werden, und orthodoxe Exegeten werden darangehen, sie<br />

ungeschrieben zu machen, aber Gibril, der im höchsten Kamerawinkel<br />

schwebt und von dort aus zusieht, weiß ein kleines Detail, nur eine<br />

Winzigkeit, die etwas problematisch ist, nämlich dass es beide Male ich<br />

war, Baba, das erste Mal ich und das zweite Mal auch ich. Aus meinem<br />

Munde stammen Rede und Widerrede, <strong>Verse</strong> und Antiverse, Welten und<br />

Gegenwelten, alles, und wir alle wissen, wer sich an meinem Mund zu<br />

schaffen gemacht hat.<br />

»Zuerst war es der Teufel«, murmelt Mahound, während er nach Jahilia<br />

eilt. »Aber diesmal der Engel, keine Frage. Er hat mich zu Boden<br />

gerungen.«<br />

<strong>Die</strong> Jünger halten ihn in den Schluchten am Fuß des Mount Cone auf,<br />

um ihn vor der Wut Hinds zu warnen, die weiße Trauerkleidung trägt<br />

und ihr schwarzes Haar gelöst hat, es wie einen Sturmwind wehen lässt

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!