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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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und danach der Zorn seiner Anhänger, die Zweifel -, all das hatte ihn<br />

überwältigt. »Ich bin ohnmächtig geworden«, erinnert er sich.<br />

Sie geht zu ihm und setzt sich neben ihn aufs Bett, streckt einen Finger<br />

aus, findet eine Öffnung in seinem Gewand, streichelt seine Brust.<br />

»Ohnmächtig«, murmelt sie. »Das bedeutet Schwäche, Mahound. Seid<br />

Ihr im Begriff, schwach zu werden?«<br />

Sie legt ihm den streichelnden Finger auf die Lippen, bevor er antworten<br />

kann. »Sagt nichts, Mahound. Ich bin die Frau des Granden, und beide<br />

sind wir nicht Eure Freunde. Mein Mann ist allerdings ein schwacher<br />

Mann. In Jahilia glaubt man, er sei klug, aber ich weiß es besser. Er<br />

weiß, dass ich mir Liebhaber nehme, und unternimmt nichts dagegen,<br />

weil die Tempel meiner Familie unterstehen. Lats, Uzzas, Manats<br />

Tempel. <strong>Die</strong> -<br />

soll ich sie Moscheen nennen? - Eurer neuen Engel.« Sie bietet ihm<br />

Melonenwürfel auf einem Teller an, versucht, ihn zu füttern.<br />

Er gestattet nicht, dass sie ihm die Früchte in den Mund schiebt, nimmt<br />

die Stückchen mit der eigenen Hand, isst. Sie fährt fort.<br />

»Mein letzter Liebhaber war der Junge, Baal.« Sie bemerkt die Wut in<br />

seinem Blick. »Ja«, sagt sie zufrieden. »Ich habe gehört, er hat Euch<br />

verärgert. Aber er ist nicht wichtig. Weder er noch Abu Simbel sind<br />

Euch ebenbürtig. Aber ich bin es.«<br />

»Ich muss gehen«, sagt er. »So schnell?« antwortet sie und kehrt ans<br />

Fenster zurück. Am Stadtrand bauen sie die Zelte ab, die langen<br />

Kamelzüge rüsten zum Aufbruch, Kolonnen von Lastkarren ziehen<br />

bereits durch die Wüste; der Karneval ist vorbei. Sie dreht sich wieder zu<br />

ihm um.<br />

»Ich bin Euch ebenbürtig«, wiederholt sie, »und zugleich Eure<br />

Gegenspielerin. Ich will nicht, dass Ihr schwach werdet. Ihr hättet nicht<br />

tun sollen, was Ihr getan habt.«<br />

»Aber Ihr werdet davon profitieren«, entgegnet Mahound verbittert. »<strong>Die</strong><br />

Einnahmen aus Euren Tempeln sind nicht mehr gefährdet.«<br />

»Ihr begreift nicht«, sagt sie leise, nähert sich und bringt ihr Gesicht nah<br />

an das seine. »Ihr seid für Allah, und ich bin für Al-Lat. Und sie glaubt<br />

Eurem Gott nicht, wenn er behauptet, dass er sie anerkennt. Ihre<br />

Gegnerschaft zu ihm ist unversöhnlich, unwiderruflich, grenzenlos. Der

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