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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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aufsehenerregende Schauspiel, wie der Grande Abu Simbel die Daumen<br />

an die Ohrläppchen legt, die Finger beider Hände fächerförmig spreizt<br />

und mit lauter Stimme die Formel spricht: »Allahu Akbar.« Worauf er<br />

auf die Knie fällt und eine besonnene Stirn auf den Boden drückt. Seine<br />

Frau Hind folgt unverzüglich seinem Beispiel.<br />

Der Wasserträger Khalid hat sich während dieser Ereignisse am<br />

Zelteingang aufgehalten. Jetzt beobachtet er entsetzt, wie alle, die hier<br />

versammelt sind, sowohl die Menge im Zelt als auch die Männer und<br />

Frauen davor, sich hinknien, Reihe um Reihe, die Bewegung pflanzt sich<br />

von Hind und dem Granden wellenartig nach außen fort, als ob sie<br />

Steinchen wären, die in einen See geworfen wurden; bis die gesamte<br />

Versammlung außerhalb wie innerhalb des Zeltes mit den Hinterteilen in<br />

der Luft vor dem schlafenden Propheten kniet, der die Schutzgöttinnen<br />

der Stadt anerkannt hat. Der Verkünder selbst bleibt stehen, als ob er<br />

keine Lust hätte, sich der Versammlung bei ihrer Andacht anzuschließen.<br />

Der Wasserträger bricht in Tränen aus und flüchtet sich ins leere Herz<br />

der Stadt aus Sand.<br />

Während er läuft, brennen seine Tränen Löcher in die Erde, als ob sie<br />

eine scharfe, ätzende Säure enthielten.<br />

Mahound verharrt reglos. Keine Spur von Feuchtigkeit ist auf den<br />

Wimpern seiner geschlossenen Augen zu erkennen.<br />

In jener Nacht des einsamen Triumphes des Geschäftsmannes im Zelt<br />

der Ungläubigen finden gewisse Morde statt, und die First Lady von<br />

Jahilia wird Jahre warten müssen, um sie auf schreckliche Weise rächen<br />

zu können.<br />

Hamza, der Onkel des Propheten, ist allein auf dem Weg nach Hause,<br />

den Kopf geneigt und grau im Dämmerlicht jenes traurigen Sieges, als er<br />

ein Brüllen vernimmt, aufblickt und einen riesigen purpurroten Löwen<br />

sieht, der im Begriff ist, sich von der hohen Festungsmauer der Stadt auf<br />

ihn zu stürzen. Er kennt das Tier, die Sage. Das Schimmern seines<br />

purpurroten Fells verschmilzt mit der flimmernden Helligkeit des<br />

Wüstensandes. Durch seine Nüstern atmet es den Schrecken der<br />

einsamen Orte der Erde aus. Es speit Pestilenz, und wenn Heere sich in<br />

die Wüste wagen, frisst es sie mit Haut und Haar.

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