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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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gepresst wird, ich komme heraus, Gibril Farishta, während mein anderes<br />

Ich liegt und zuhört, in Trance, ich bin an ihn gebunden, Nabel an Nabel,<br />

durch eine leuchtende Lichtschnur, unmöglich zu sagen, wer von uns den<br />

anderen träumt. Entlang der Nabelschnur fließen wir in beide<br />

Richtungen.<br />

Heute spürt Gibril sowohl die überwältigende Stärke Mahounds wie<br />

auch seine Verzweiflung: seine Zweifel. Auch, dass er in großer<br />

Bedrängnis ist, aber Gibril kennt seinen Text immer noch nicht… er hört<br />

auf das Zuhören-das-auch-ein-Fragen ist.<br />

Mahound fragt: Sie sahen Wunder, aber sie glaubten nicht. Sie sahen, die<br />

ganze Stadt sah, wie du zu mir kamst und meine Brust öffnetest, sie<br />

sahen, wie du mein Herz wuschest in den Wassern von Zamzam und es<br />

wieder in meinen Körper einsetztest. Viele von ihnen sahen es, aber<br />

immer noch verehren sie Steine. Und als du des Nachts kamst und mit<br />

mir nach Jerusalem flogst und ich über der heiligen Stadt schwebte, bin<br />

ich damals nicht zurückgekommen und habe sie genau beschrieben, bis<br />

in die kleinste Einzelheit? So dass es keinen Zweifel am Wunder geben<br />

konnte, und dennoch gingen sie zu Lat. Habe ich denn nicht mein Bestes<br />

getan, um es ihnen einfach zu machen? Als du mich zum Thron selbst<br />

hinauftrugst und Allah den Gläubigen die große Bürde von vierzig<br />

Gebeten pro Tag auferlegte. Auf dem Rückweg traf ich Moses, und er<br />

sagte, die Bürde ist zu schwer, kehre um und bitte um weniger.<br />

Viermal kehrte ich um, viermal sagte Moses, noch immer zu viel, kehre<br />

noch einmal um. Aber beim vierten Mal hatte Allah die Gebühr auf fünf<br />

herabgesetzt, und ich weigerte mich umzukehren. Ich schämte mich, um<br />

noch weniger zu bitten. In seiner unermesslichen Großzügigkeit<br />

verlangte er fünf statt vierzig, und immer noch lieben sie Manat, wollen<br />

sie Uzza. Was kann ich tun? Was soll ich vortragen?<br />

Gibril bleibt still, weiß keine Antworten, um Himmels willen, Bhai, frag<br />

mich doch nicht. Mahounds Qualen sind schrecklich.<br />

Er fragt: Ist es möglich, dass sie Engel sind? Lat, Manat, Uzza…<br />

kann ich sie engelsgleich nennen? Gibril, hast du Schwestern?<br />

Sind sie die Töchter Gottes? Und er geht mit sich ins Gericht: ach, meine<br />

Eitelkeit, ich bin ein hoffärtiger Mensch, ist es Schwäche, ist es nur der<br />

Wunsch nach Macht? Muss ich an mir wegen eines Sitzes im Rat Verrat<br />

begehen? Ist das vernünftig und weise oder ist es eitel und zeugt von

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