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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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der Koloss Hubal, von den Amalekiten aus Hit gesandt, steht über der<br />

Schatzkammer, der Schafhirt Hubal, der zunehmende Mond; auch der<br />

finster blickende, gefährliche Kain. Er ist der abnehmende Mond,<br />

Schmied und Musiker; auch er hat seine Anhänger.<br />

Hubal und Kain schauen auf Grande und Dichter herab, während diese<br />

vorbeischlendern. Und der nabatäische Proto-Dionysos, Er-aus-Shara;<br />

der Morgenstern, Astarte, und der düstere Nakruh. Hier ist Manaf, der<br />

Sonnengott! Sieh, hier schlägt der riesenhafte Nasr seine Flügel, der Gott<br />

in Adlergestalt! Und da ist Quzah, der den Regenbogen hält… ist das<br />

nicht eine Schwemme von Göttern, eine Steinflut, um den unersättlichen<br />

Hunger der Pilger, ihren unheiligen Durst zu stillen. Um die Reisenden<br />

zu verführen, kommen die Gottheiten - wie die Pilger - von nah und fern.<br />

Auch die Götzen sind Abgesandte auf einer Art internationaler Messe.<br />

Es gibt hier einen Gott namens Allah (das bedeutet schlicht und einfach<br />

der Gott). Fragen Sie die Jahilier, und sie werden zugeben, dass dieser<br />

Bursche so etwas wie eine übergreifende Autorität besitzt, aber er ist<br />

nicht sehr beliebt: ein Generalist in einem Zeitalter von<br />

Spezialistenstatuen.<br />

Abu Simbel und der neuerdings schwitzende Baal sind bei den<br />

nebeneinanderstehenden Schreinen der drei in Jahilia beliebtesten<br />

Göttinnen angelangt. Sie verneigen sich vor allen dreien: Uzza mit dem<br />

strahlenden Antlitz, Göttin der Schönheit und Liebe; die dunkle,<br />

rätselhafte Manat - das Gesicht abgewandt, die Absichten geheimnisvoll<br />

- die Sand durch die Finger rinnen lässt; sie ist zuständig für das<br />

Schicksal, die Schicksalsgöttin; und schließlich die Höchste der drei, die<br />

Muttergöttin, die die Griechen Lato nannten. Ilat nennt man sie hier,<br />

oder, häufiger, Al-Lat. <strong>Die</strong> Göttin. Schon ihr Name macht sie zu Allahs<br />

Gegenstück und stellt sie ihm gleich. Lat die Allmächtige. Mit plötzlich<br />

erleichtertem Ausdruck wirft sich Baal vor ihr auf den Boden. Abu<br />

Simbel bleibt stehen.<br />

<strong>Die</strong> Familie des Grandes, Abu Simbel - oder, um genauer zu sein, die<br />

Familie seiner Frau Hind - überwacht den berühmten Tempel der Lat am<br />

Südtor der Stadt. (Sie kassiert auch die Einnahmen des Tempels der<br />

Manat am Osttor und des Tempels der Uzza im Norden.) <strong>Die</strong>se<br />

Privilegien bilden die Grundlage des Reichtums des Granden, daher ist<br />

er natürlich, so sieht es Baal, der <strong>Die</strong>ner der Lat. Und des Satirikers

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