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Sammlung kleinerer althochdeutscher Sprachdenkmäler, 1986 pdf ...

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W=2=Wessobrunner Schöpfungsgedicht und Gebet<br />

Wessobrunner Schöpfungsgedicht und Gebet (W)<br />

Überlieferung: München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 22053 f. 65b-<br />

66a.<br />

Die Handschrift (mit der früheren Signatur Wessobr. 53 Cim. 20) im<br />

Format 18,5 χ 14 cm umfaßt 99 Blätter (Blatt 40 doppelt, Blatt 55<br />

ausgelassen, hinter den Blättern 8,29 und 92 fehlt je ein Blatt). Sie<br />

besteht aus drei ursprünglich getrennten Teilen. Der zweite Teil<br />

umfaßt die Blätter 22 bis 66. Er enthält Theodosius De locis sanctis<br />

und ab Blatt 35b eine große <strong>Sammlung</strong> von Auszügen über biblische<br />

Vorstellungen, Maße, Länder, Städte, freie Künste und Maße. Auf<br />

Deutungen des Dekalogs und der menschlichen Lebensalter folgt auf<br />

den Blättern 65b, 66a unter der Überschrift De poeta das volkssprachige<br />

fortlaufend wie Prosa geschriebene Schöpfungsgedicht und<br />

Gebet. Den Schluß aller von einer Hand geschriebenen Stücke bildet<br />

nach einem einzeiligen Abstand ein lateinischer Satz. Auf dem ursprünglich<br />

leeren Blatt 66b steht von anderer Hand eine Freilassungsurkunde<br />

von 788 bis 800. Die Blätter 58a bis 64a enthalten verschiedene<br />

althochdeutsche Glossen. Außerdem begegnen angelsächsische Abkürzungszeichen.<br />

Die aus Wessobrunn stammende Handschrift dürfte die volkssprachigen<br />

Stücke in Abschrift wiedergeben. Sie wurde im ausgehenden achten<br />

oder beginnenden 9. Jahrhundert geschrieben. Vielleicht entstand sie<br />

in Augsburg oder in Wörth im Staffelsee.<br />

Inhalt: Der volkssprachige, rund 100 Wörter umfassende Text besteht<br />

aus einem poetischen und einem prosaischen Stück. Der poetische,<br />

nicht allzu gelungen Stabreim verwendende Teil befaßt sich mit dem<br />

Anfang der Welt, an den es der christlichen Lehre entsprechend Gott<br />

setzt. Quellen für diesbezügliche Gedanken sind ein Brief Daniels von<br />

Winchester an Bonifatius, ein Bericht Gregors von Tours über die<br />

Taufe der burgundischen Königsgemahlin Chlotilde sowie Augustins<br />

Schrift über den ersten Religionsunterricht (De catechizandis rudibus,<br />

Kapitel 18). Vermutlich treffen sich hier frühchristliche Missionsbelehrung<br />

und ältere kultische Gedanken.<br />

Das prosaische Gebet richtet sich an Gott als den Schöpfer von Himmel<br />

und Erde. Gott gegenüber benötigt der Mensch Gnade. Um diese zu<br />

erlangen, bedarf er des rechten Glaubens und des guten Willens. Zum<br />

Teil enthält das Gebet dieselben Bitten wie das fränkische Gebet.<br />

Daran hängt es geläufige Wendungen, welche im Inhalt des Taufgelöbnisses<br />

begründet sind.<br />

Sprachlich ist der Text altbayerisch (inlautendes p, anlautendes p, k,<br />

inlautendes k, Ώ). Das Schöpfungsgedicht enthält aber in den beiden<br />

ersten Versen geringe altsächsische oder altenglische Spuren (dat,<br />

gafregin) (str.). Ob sie auf angelsächsische Herkunft deuten können,<br />

ist fraglich. Entstanden sein dürfte der Text zwischen 766 und 800.<br />

Ausgaben: Pez, Β., Thesaurus anecdotorum novissimus, 1721; Enneccerus,<br />

M., Die ältesten deutschen <strong>Sprachdenkmäler</strong>, 1897, 9, 10<br />

(Faksimile); Steinmeyer, Ε., ν., Die kleineren althochdeutschen<br />

<strong>Sprachdenkmäler</strong>, 1916, Neudrucke 1963, 1971, 16, Nr. 2.<br />

Literatur: Ehrismann, G., Geschichte der deutschen Literatur, Teil 1<br />

2. A. 1932, Neudruck 1966, 137; Bischoff, B., Paläographische Fragen<br />

deutscher Denkmäler der Karolingerzeit, Frühmittelalterliche Studien 5<br />

(1971), 116; Schwab, U., Die Sternrune im Wessobrunner Gebet,<br />

Amsterdam 1973.<br />

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