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Sammlung kleinerer althochdeutscher Sprachdenkmäler, 1986 pdf ...

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P=21 = Petrus lied<br />

Petruslied (P)<br />

Überlieferung: München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 6260 f. 158b.<br />

Die Handschrift mit der früheren Signatur Fris. C.E.9; Cim. Ili a und<br />

dem Format 34 χ 25 cm umfaßt 158 Blätter in neunzehn Quaternionen<br />

und einem Ternio (Blatt 153-158). Sie wurde zwischen 854 und 875 in<br />

Freising geschrieben. Sie enthält des Hrabanus Maurus Kommentar in<br />

Genesin. An dessen Schluß steht auf Blatt 158b von einer Hand, die<br />

vielleicht auch etwas höher oben den Namen Suonhart schrieb, das<br />

volkssprachige Petruslied so, daß jede der drei Strophen zwei Zeilen,<br />

unter Einrückung der zweiten, einnimmt. Die sämtlich mit Neumen<br />

versehenen Halbzeilen sind nicht abgesetzt, sondern nur zum Teil<br />

durch Punkte getrennt. Die Eintragung dürfte um 900 in Freising<br />

erfolgt sein. Im 11. Jahrhundert wurde der Eintragung ein lateinischer<br />

Hexameter und die Wörter deo gratias vorangestellt. Dem Vorderdeckel<br />

war früher ein Blatt mit verschiedenen volkssprachigen Namen<br />

aufgeklebt.<br />

Inhalt: Es handelt sich um das älteste erhaltene althochdeutsche Kirchenlied.<br />

Der etwa 50 volkssprachige Wörter umfassende Bittgesang<br />

richtet sich an den heiligen Petrus. Vermutlich sang der Priester jede<br />

der drei Strophen vor, worauf das Volk einen jeweils gleichen Refrain<br />

(Kyrie eleyson, Christe eleyson) sprach. Jede Strophe besteht aus zwei<br />

in sich endreimenden Langzeilen.<br />

Nach der ersten Strophe hat Gott Petrus die Gewalt gegeben, den zu<br />

ihm bittenden Menschen zu erhalten. Als ausdrücklich beauftragter<br />

Hüter der Himmelspforte kann er einreihen, wen er erhalten will. Deshalb<br />

wird er abschließend gebeten, den Sündern gnädig zu sein.<br />

Viele dieser Gedanken finden sich in der dritten Strophe des Hymnus<br />

Aurea luce et decore roseo, welcher der Gattin des Boethius zugeschrieben<br />

wird. Die Grundgedanken sind auch in der kirchlichen<br />

Litanei enthalten. Der Stil ist durchaus geistlich. Der Versbau ist<br />

sehr regelmäßig. Die Reime sind rein. Der Rhythmus zeigt Anschluß an<br />

die lateinische Hymnendichtung.<br />

Der Dialekt ist altbayerisch (inlautend ρ für b, auslautend eh für g).<br />

Der Wortschatz zeigt deutliche Einflüsse der lateinischen Kirchensprache.<br />

Verschiedentlich scheinen Übereinstimmungen mit Otfrids von<br />

Weißenburg Evangeliendichtung auf, von welcher am Anfang des 10.<br />

Jahrhunderts eine Abschrift in Freising genommen wurde .<br />

Ausgaben: Docen, B,J., Miscellaneen zur Geschichte der teutschen Literatur<br />

Bd. 1 1807,3; Enneccerus, M., Die ältesten deutschen <strong>Sprachdenkmäler</strong>,<br />

1897, 39 (Faksimile); Steinmeyer, E.V., Die kleineren althochdeutschen<br />

<strong>Sprachdenkmäler</strong>, 1916, Neudrucke 1963, 1971, 103,<br />

Nr. 21.<br />

Literatur: Ehrismann, G., Geschichte der deutschen Literatur, Teil 1<br />

2. A. 1932, Neudruck 1966, 203; Karg-Gasterstädt, Petruslied, Verfasserlexikon,<br />

Bd. 5 1955, 885; Bischoff, B., Paläographische Fragen<br />

deutscher Denkmäler der Karolingerzeit, Frühmittelalterliche Studien 5<br />

(1971), 114; Schützeichel, R., Textgebundenheit, 1981, 29 ff.

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