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Sammlung kleinerer althochdeutscher Sprachdenkmäler, 1986 pdf ...

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B=36=Benediktinerregel<br />

Benediktinerregel (B)<br />

Überlieferung: Sankt Gallen, Stiftsbibliothek 916 (früher S. n. 249) S.<br />

8-150 (2-159). Eine zweite Sankt Gallener Handschrift, welche eine<br />

Abschrift der Handschrift 916 war und von M. Goldast, Alemannicarum<br />

rerum scriptores, 1606 (II, 94-112) benutzt und in Form<br />

einer lateinisch-althoch deutsche η Wortliste (Auszüge) veröffentlicht<br />

wurde, ist seit dem Ende des 17. Jahrhunderts verschollen. Eine dritte<br />

Sankt Gallener Handschrift, in welcher nur der Prolog der Benediktinerregel<br />

althochdeutsch glossiert war, welche jedoch weitere althochdeutsche<br />

Übersetzungen katechetischer Stücke enthielt, verbrannte 1768<br />

im Kloster Sankt Blasien im Schwarzwald, wohin sie 1760 entliehen<br />

worden war.<br />

Die insgesamt 172 Seiten umfassende Handschrift im Format 19,5 χ 12,5<br />

cm enthält als Hauptinhalt auf den Seiten 2 bis 159 den lateinischen<br />

Text der in zahllosen Handschriften überlieferten Regula Benedicti,<br />

welche Bendedikt von Nursia bei Spoleto (um 480-547?, 550?, 553?,<br />

560?), der Gründer einer in Subiaco begonnenen, um 530 auf den Monte<br />

Cassino geführten Mönchsgemeinschaft in Zusammenhang mit der Gründung<br />

und dem Aufbau des Mutterklosters verfaßte. Von einer guten,<br />

896 verbrannten Abschrift des von Benedikt selbst geschriebenen Originals<br />

dieser Regel ließ Karl der Große 787 in Montecassino eine inzwischen<br />

verlorene Abschrift anfertigen, welche ihrerseits im Jahre 817<br />

auf der Reichenau abgeschrieben wurde (Sankt Gallen, Stiftsbibliothek<br />

914).<br />

Der althochdeutsche Text ist von mehreren Schreibern auf den Seiten 8<br />

bis 150 in feiner steiler Kursive geschrieben. Sowohl der lateinische<br />

interpolierte Text als auch der althochdeutsche Text wurde um 800<br />

oder kurz danach in Sankt Gallen aufgezeichnet. Die für Entstehung<br />

des althochdeutschen Textes in Sankt Gallen sprechenden Umstände der<br />

bedeutenden Stellung Sankt Gallens in der Überlieferung sowohl der<br />

lateinischen als auch der althochdeutschen Benediktinerregel und der<br />

Übereinstimmungen der ältesten Sankt Gallener Glossen und der<br />

althochdeutschen Benediktinerregel dürften den Umstand überwiegen,<br />

daß die Reichenau eine herausgehobene Position im Rahmen der<br />

frühalthochdeutschen Übersetzungen einnahm und deshalb auch die<br />

althochdeutsche Benediktinerregel dort entstanden sein müßte. Vermutlich<br />

ist der althochdeutsche Text in Sankt Gallen auch entstanden<br />

(Str.).<br />

Die Wörter des lateinischen Textes sind oft abgekürzt. Auch gängige<br />

althochdeutsche Wörter sind durch ihre Endungen abgekürzt. Im<br />

übrigen ist hier erstmals grundsätzlich der lange Vokal durch Doppelschreibung<br />

bezeichnet.<br />

Inhalt: Die Benediktinerregel ordnet in 73 Kapiteln die Verfassung und<br />

die Disziplin und damit das gesamte klösterliche Leben der Benediktinermönche,<br />

das den Hauptgelübden Armut, Keuschheit und Gehorsam<br />

unterworfen ist. Der althochdeutsche, vielleicht insgesamt rund 9000<br />

Wörter umfassende Text ist eine über dem lateinischen Text stehende,<br />

mechanisch genaue, aber oft fehlerhafte (Adjektiv statt Adverb,<br />

Kasusfehler) Übersetzung (Interlinearversion). Diese ist anfangs<br />

vollständig, von Kapitel 15 an, ausgenommen Kapitel 31, lückenhaft,<br />

gibt von der Mitte des Kapitels 65 nur noch einzelne lateinische Wörter<br />

wieder und hört in der Mitte von Kapitel 67 ganz auf. Etwas freier<br />

sind die eingestreuten Bibelzitate wiedergegeben. Vielleicht ist der<br />

althochdeutsche Text Abschrift, doch ist eine etwaige Vorstufe oder<br />

althochdeutsche Vorlage nicht sicher faßbar. Für das Verhältnis zum<br />

lateinischen Text ist davon auszugehen, daß der althochdeutsche Text<br />

von ihm nicht völlig getrennt werden kann, aber offenbar zusätzlich<br />

auf einem anderen Text derselben westlichen, in Gallien beheimateten<br />

interpolierten Textklasse beruht.<br />

Die Sprache ist altalemannisch. Ai ist meist zu ei geworden, au noch<br />

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