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Sammlung kleinerer althochdeutscher Sprachdenkmäler, 1986 pdf ...

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L=16=Ludwigslied<br />

Ludwigslied (L)<br />

Überlieferung: Valenciennes, Bibliothèque Municipale Ms. 150 f.<br />

141b-143a.<br />

Die 1791 aus Saint Amand sur ΓΕΙηοη nach Valenciennes gebrachte<br />

Handschrift (früher 143, noch früher B. 5.15) im Format 23,7 χ 15 cm<br />

umfaßt 143 Blätter zu je 24 vorgeritzten Zeilen. Sie enthält auf den<br />

Blättern la-140b hinter zehn angeblich von Gregor dem Großen<br />

stammenden Distichen acht Werke Gregors von Nazianz in der lateinischen<br />

Übersetzung des Rufinus von Marseille. Es folgt auf Blatt<br />

141a in 14 Zeilen von anderer Hand die lateinische Sequenz Cantica<br />

uirginis eulalie. Den freigebliebenen Raum von Blatt 140b und 141a<br />

unten beschrieb eine gleichzeitige Hand mit der Sequenz Dominus celi<br />

rex et conditor. Auf dem zunächst freigebliebenen Blatt 141b steht<br />

von wieder anderer Hand das altfranzösische Gedicht Buona pulcella<br />

fut eulalia in 15 Zeilen und von derselben Hand unmittelbar<br />

angeschlossen in 59 Zeilen bis Blatt 143a das althochdeutsche,<br />

sorgfältig und fast fehlerlos geschriebene Stück, dem bis Blatt 143b<br />

von nochmals anderer alter Hand 15 Distichen folgen. Den Beschluß<br />

bildet der Vermerk Liber Sancti Amändi. Geschrieben wurde die<br />

Handschrift in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts in Niederlothringen<br />

(Saint Amand in Flandern?). Das althochdeutsche Stück wurde am<br />

Ende des 9. Jahrhunderts eingetragen..<br />

Inhalt: Das 59 Zeilen mit mehr als 400 Wörtern umfassende Ludwigslied<br />

bezieht sich auf König Ludwig III., den Sohn Ludwigs des Stammlers<br />

(877-79) und Enkel Karls des Kahlen (843-877), des ersten Königs des<br />

westfränkischen Reiches, welcher zusammen mit seinem Bruder Karlmann<br />

(+ 884) im September 879 zum König gekrönt wurde. Ludwig III.,<br />

welcher bei der Reichsteilung von 879 den nördlichen Teil des westfränkischen<br />

Reiches erhalten hatte, war zu dieser Zeit erst etwa 14<br />

bis 16 Jahre alt. Umso bewundernswerter war seine Leistung, als er<br />

am 1. August 881 bei Saucourt die in sein Reich eingefallenen Normannen<br />

(Dänen) besiegte. Vermutlich unmittelbar im Anschluß an<br />

dieses Ereignis, jedenfalls noch vor dem Tode Ludwigs III. am<br />

5.8.882, verfaßte vermutlich ein Geistlicher, welcher der westfränkischen<br />

Oberschicht der königlichen Umgebung angehörte, das endreimende<br />

Lied. Die Aufzeichnung erfolgte dann nach Ausweis der Überschrift<br />

nach dem Tode (Rithmus teutonicus de piae memoriae Hluduico<br />

rege).<br />

Das Lied gliedert sich in eine Einleitung, in der Kindheit, Erziehung<br />

und Regierungsantritt des Königs geschildert werden, in den Hauptteil,<br />

welcher vom Einfall der Heiden, der Kam pfes auffor der ung Gottes an<br />

Ludwig, der Ansprache Ludwigs an die Großen und der Schlacht<br />

berichtet, sowie den Schluß mit Gebet, Dank an Gott und die Heiligen<br />

und Preis dem König.<br />

Damit ist das Ludwigslied das älteste erhaltene geschichtliche Lied<br />

und innerhalb der Reimdichtung die erste freie Schöpfung, die nicht<br />

von einer lateinischen oder geistlichen Grundlage ausgeht. Da das<br />

Kampfgeschehen christlich gedeutet wird, ist das Lied ein christliches<br />

Heldenlied.<br />

Das Lied besteht aus zweiundzwanzig zweizeiligen Strophen in Abwechslung<br />

mit fünf dreizeiligen. Die beiden Kurzverse sind durch Endsilbenreime<br />

nach der Art Otfrids von Weißenburg paarweise gebunden.<br />

Die Wortwahl zeigt Kenntnis der Heldendichtung.<br />

Sprachlich gehört das Lied in das Altrheinfränkische (z, ph, f). Es<br />

enthält aber möglicherweise auch altmittelfränkische und altniederfränkische<br />

(j, frano) Elemente. Es ist unklar, wie sie sich zum<br />

Grundstock verhalten.<br />

Vom Wortschatz her bestehen Gemeinsamkeiten mit der Widmung Otfrids<br />

von Weißenburg an Ludwig den Deutschen.<br />

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