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Sammlung kleinerer althochdeutscher Sprachdenkmäler, 1986 pdf ...

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GV=82=Sankt Gallener Spottverse<br />

Sankt Gallener Spottverse (GV)<br />

Überlieferung: (1) Sankt Gallen, Stiftsbibliothek 30 S. 1; (2) Sankt<br />

Gallen, Stiftsbibliothek 105 S. 1; (3) Sankt Gallen, Stiftsbibliothek<br />

105 S. 204(3a), 2O2(3b).<br />

Die Handschrift Sankt Gallen, Stiftsbibliothek 30 in kleinem Quart<br />

umfaßt 103 Seiten (81 ausgelassen). Sie wurde in der zweiten Hälfte<br />

des 9. Jahrhunderts geschrieben. Sie enthält Kommentare zu den<br />

Proverbia Salomonis, Ecclesiastes und Cantica canticorum (am Schluß<br />

unvollständig) der Vulgata. Auf der urspünglich leeren Seite 1, auf<br />

Seite 2 und auch sonst an den Rändern stehen Federproben und<br />

Einträge verschiedener Zeilen und Hände, darunter auf Seite 1 neben<br />

verschiedenen lateinischen Eintragungen und Figurenzeichen eine<br />

althochdeutsche Spottstrophe in zwei nicht abgeteilten Längszeilen mit<br />

vier gereimten Versen (1).<br />

Die Handschrift Sankt Gallen, Stiftsbibliothek 105 in kleinem Folio<br />

umfaßt 212 Seiten. Sie ist aus zwei ursprünglich selbständigen<br />

Handschriften (1-166, 167-212) des 9. und 10. Jahrhunderts zusammengesetzt.<br />

Sie enthält Sulpicius Severus, Vita S. Martini (9. Jahrhundert),<br />

eine medizinische (Cassius Felix) und eine grammatische<br />

Abhandlung. Auf Seite 1 findet sich am Rand von einer Hand des 9.<br />

oder 10. Jahrhunderts ein kurzer Vers (2). Auf Seite 204 steht am<br />

Rand der medizinischen Abhandlung ein kleiner, aus zwei reimenden<br />

Halbversen zusammengesetzter Langvers (3a), dessen vordere Hälfte<br />

(3b) sich bereits von gleicher Hand auf Seite 202 findet.<br />

Inhalt: Bei Vers 1 handelt es sich um eine frühe weltliche Endreimstrophe<br />

mit weniger als 20 Wörtern. Die beiden Reimpaare schildern<br />

zunächst die Verlobung einer Tochter durch ihren Vater mittels Verlobungstrunks<br />

und danach die Rückgabe der Braut durch den Bräutigam.<br />

Von daher ist das Stück als Beispiel sonst kaum erhaltener<br />

Volksdichtung und als volkssprachiges Zeugnis früher Rechtsverhältnisse<br />

von einiger Bedeutung.<br />

Der aus 10 Wörtern gebildete Vers 2 ist wohl ein obszöner Liebesvers.<br />

Vers drei, dessen Wortlaut teilweise unsicher ist, stellt wohl einen<br />

aus 9 Wörtern zusammengesetzten Spottvers auf einen Romanen dar.<br />

Beide sind Gelegenheitsverse.<br />

Sprachlich sind alle drei Verse altalemannisch. Vers 1 gehört nach<br />

dem sprachlichen Befund in das Ende des 9. Jahrhunderts. Vers 2<br />

entstammt dem 9. oder 10., Vers 3 dem Ende des 10. Jahrhunderts.<br />

Ausgaben: Hattemer, H., Denkmahle, Bd. 1 1844, 319 f., 409a;<br />

Steinmeyer, E.V., Die kleineren althochdeutschen <strong>Sprachdenkmäler</strong>,<br />

1916, Neudrucke 1963, 1971, 401, Nr. 82.<br />

Literatur: Ehrismann, G., Geschichte der deutschen Literatur, Teil 1<br />

2. A. 1932, Neudruck 1966, 247; Bruckner, W., Scriptoria medii aevi<br />

Helvetica III, St. Gallen II, Genf 1938; Sonderegger, S., Althochdeutsch<br />

in Sankt Gallen, 1970, 72; Sonderegger, S., St. Galler<br />

Spottverse, Verfasserlexikon, 2. A. Bd. 2 1980, 1051.<br />

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