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Sammlung kleinerer althochdeutscher Sprachdenkmäler, 1986 pdf ...

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Ch=17=Christus und die Samariterin<br />

Christus und die Samariterin (Ch)<br />

Überlieferung: Wien, Österreichische Nationalbibliothek Cod. 515 (früher<br />

Hist. prof. 646) Blatt 4b-5a.<br />

Die im Format 16,5 χ 23,5 cm gehaltene Handschrift umfaßt 8 Blätter,<br />

darunter die Do ρ pel blatter 4,5 und 6,7. Blatt 1 bis Blatt 5a oben<br />

enthalten in meist 27 Zeilen die Lorscher Annalen der Jahre 794-803,<br />

geschrieben von zwei verschiedenen südwestdeutschen Händen des<br />

frühen 9. Jahrhunderts. Danach folgt in der Endzeile der Annalen beginnend<br />

mit anderer Tinte von zwei verschiedenen Händen des 10.<br />

Jahrhunderts in mehreren Absätzen ohne Strophen- oder Versabteilung<br />

geschrieben das althochdeutsche Gedicht Christus und die Samariterin,<br />

das am Seitenschluß unvollständig abbricht, obwohl auf der Seite 5b<br />

in jedem Fall genügend Platz gewesen wäre. Dort stehen drei zum Teil<br />

neumierte, vielleicht später eingetragene Responsorien. Die vermutlich<br />

einst selbständigen Blätter 6-8 enthalten eine Musterpredigt. Das Gedicht<br />

ist wohl nicht vom Verfasser selbst, sondern von einem Abschreiber<br />

aufgezeichnet, der verschiedentlich Korrekturen und Rasuren<br />

vornahm. Die Handschrift der Lorscher Annalen befand sich um 835 auf<br />

der Reichenau, wo im 10. Jahrhundert eine Abschrift von ihr bestand.<br />

Inhalt: Das althochdeutsche, vermutlich zum mündlichen Vortrag<br />

bestimmte Reimgedicht, von dem 31 Reimpaare mit etwas mehr als 200<br />

Wörtern erhalten sind, beruht auf der Erzählung von Christus und der<br />

Samariterin in Johannes 4,6-19, welche auch Otfrid von Weißenburg in<br />

seinem Evangelienbuch (11,14) benutzte. Die Übersetzung folgt der<br />

Vulgata Schritt für Schritt und fügt nur weniges hinzu, um den Stoff<br />

in die Form von Reimpaaren zu vier Hebungen zu bringen. Bei dem<br />

Gedicht handelt es sich um ein christliches episches Lied, in dem Rede<br />

und Gegenrede im Vordergrund stehen. Streitig ist, ob die metrische<br />

Form nur den Otfridschen Reim paar vers fortsetzt, zumal Otfrid im<br />

Predigtstil schreibt und auch nur wenige Berührungen zu Otfrids<br />

Kapitel über die Sameriterin vorhanden sind (brunno/puzzi, bita).<br />

Dagegen besteht ein gewisser innerer Zusammenhang zur nachfolgenden<br />

Musterpredigt.<br />

Sprachlich stehen altalemannische Merkmale (tu, buzza, ki-, kecprunnen,<br />

-on, habis, hebist, sagant usw.) neben altfränkischen (th, b, k,<br />

qu). Diese Mischung wurde sowohl als altalemannische Einfärbung<br />

eines altfränkischen Originals als auch als altfränkische Einfärbung<br />

eines altalemannischen Originals erklärt. Dementsprechend wurde Entstehung<br />

in Reichenau, Lorsch oder im altalemannisch-altfränkischen<br />

Grenzgebiet angenommen.<br />

Hegen der abgeschwächten Endungen der Reime ist von einer Entstehung<br />

des Originales nicht vor dem Ende des 9. Jahrhunderts auszugehen.<br />

Ausgaben: Lambecius, P., Commentarii de bibliotheca caesarea Vindobonensi,<br />

Bd. 2 1669, 383 f.; Enneccerus, M., Die älteren deutschen<br />

<strong>Sprachdenkmäler</strong>, 1897, 38 (Faksimile); Steinmeyer, E.V., Die kleineren<br />

althochdeutschen <strong>Sprachdenkmäler</strong>, 1916, Neudrucke 1963, 1971, 89-90,<br />

Nr. 17.<br />

Literatur: Ehrismann, G., Geschichte der deutschen Literatur, Teil 1<br />

2. A. 1932, Neudruck 1966, 207; Bischoff, B., Paläographische Fragen<br />

deutscher Denkmäler der Karolingerzeit, Frühmittelalterliche Studien 5<br />

(1971), 115; Köbler, G., Verzeichnis der Übersetzungsgleichungen der<br />

kleineren althochdeutschen <strong>Sprachdenkmäler</strong>, 1971; McLintock, D.R.,<br />

Christus und die Samariterin, Verfasserlexikon 2. Α. Bd. 1 1978, 1238.<br />

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