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PC Games 02-2017

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Bei ihrem Spiel zu Batman bewegte sich das<br />

Studio oftmals weit außerhalb des Kanons.<br />

Ob The Walking Dead, Guardians of the Galaxy oder<br />

Game of Thrones – Telltale sammelt große Lizenzen.<br />

Besteht die Chance, dass ihr in nächster Zeit auch mal<br />

ein Spiel entwickelt, bei dem Geschichte, Charaktere<br />

und Spielwelt komplett von euch kreiert wurden?<br />

Job Stauffer: Ja, du hast schon recht, es ist lange her,<br />

dass wir mit Puzzle Agent oder Poker Night eigene<br />

Telltale-Kreationen entwickelt haben, aber ich kann<br />

dir sagen, dass wir an einem ausschließlich von uns<br />

entworfenen Spiel arbeiten. Worum es geht oder wann<br />

es rauskommt, verrate ich allerdings noch nicht.<br />

<strong>PC</strong> <strong>Games</strong>: Versuchen die Lizenzeigentümer eigentlich,<br />

großen Einfluss auf die Entwicklung zu nehmen?<br />

Wie viele Freiheiten habt ihr?<br />

Job Stauffer: Für uns sind das nicht einfach nur<br />

Lizenzen, zu denen wir ein Spiel machen. Für uns<br />

sind das alles kreative Partnerschaften und um diese<br />

erfolgreich am Laufen zu halten, bedarf es Vertrauen.<br />

Dafür muss von beiden Seiten Hingabe und Liebe<br />

zur Marke da sein sowie auch der Wille, miteinander<br />

zusammenzuarbeiten und offen zu kommunizieren.<br />

So können wir auch grünes Licht für unsere eigenen<br />

Ideen bekommen. Wir arbeiten sehr hart daran, dieses<br />

Vertrauen aufrechtzuerhalten und wir sind sehr stolz<br />

darauf, dass die allermeisten unserer Ideen problemlos<br />

von den Lizenzhaltern abgesegnet wurden.<br />

<strong>PC</strong> <strong>Games</strong>: Wie kommt ihr überhaupt an die ganzen<br />

Lizenzen? Ihr habt mittlerweile ja Spiele zu richtig großen<br />

Marken gemacht. Klopft ihr bei den Lizenzhaltern<br />

an und fragt nach oder melden die sich gar bei euch,<br />

weil sie eure bisherige Arbeit schätzen?<br />

Job Stauffer: In den frühen Tagen des Studios war es<br />

definitiv so, dass wir bei den Lizenzhaltern vorstellig<br />

wurden, unsere Ideen erläuterten und um eine Chance<br />

baten. Man muss den Mitarbeitern zu dieser Zeit<br />

also auf jeden Fall Tribut zollen, dass sie so erfolgreich<br />

Klinken geputzt haben, denn dadurch haben wir in der<br />

Unterhaltungsindustrie viele Menschen kennengelernt,<br />

die ähnlich ticken wie wir und sogar zu Freunden<br />

unseres Studios wurden. Ein paar Partnerschaften<br />

sind sogar nur durch Zufall entstanden. Einige unserer<br />

Studiomitarbeiter trafen auf der ComicCon zufällig auf<br />

Robert Kirkman, haben sich vorgestellt und gesagt,<br />

dass sie große Fans von The Walking Dead sind. Er<br />

wiederum freute sich, Mitarbeiter von Telltale zu<br />

treffen, weil er Strong Bad’s Cool Game for Attractive<br />

People gespielt hatte. Er ist selbst passionierter<br />

Gamer und sagte uns, dass er unsere Art, Geschichten<br />

zu erzählen, mag. So ist es schließlich zu der<br />

Zusammenarbeit gekommen. Dadurch, dass wir sehr<br />

cineastische Spiele entwickeln, ist es für uns aber<br />

auch leichter als für andere Studios, manche Lizenzgeber<br />

zu überzeugen, weil sie unsere Arbeit leichter<br />

verstehen. Ein Team, das Ego-Shooter oder klassische<br />

Rollenspiele entwickelt, wird es schwerer haben, ein<br />

Filmstudio von seiner Idee zu überzeugen, weil dort<br />

vielleicht Leute sitzen, die sich mit traditionellen<br />

Spielen nicht auskennen.<br />

<strong>PC</strong> <strong>Games</strong>: Wie genau sieht denn euer Arbeitsablauf<br />

aus? Ihr arbeitet schließlich teilweise an mehreren Projekten.<br />

Hat jedes Spiel ein festes Team oder arbeiten<br />

alle Mitarbeiter an allen Projekten?<br />

Job Stauffer: Wir haben immer ein Kernteam, das sich<br />

um eine Staffel von Anfang bis Ende kümmert, aber<br />

bevor wir mit der Arbeit an der ersten Episode loslegen,<br />

gibt es ein allgemeines Brainstorming-Meeting, an<br />

dem jeder teilnehmen kann, der möchte. Die Position<br />

des Mitarbeiters ist dabei vollkommen egal. Wenn er<br />

leidenschaftlicher Fan der Lizenz ist, um die es geht,<br />

ist er herzlich willkommen und sein Wort hat genauso<br />

viel Gewicht wie das eines jeden anderen. Für uns geht<br />

es erst mal hauptsächlich darum, herauszustellen,<br />

was diese Marke so einzigartig macht. Anschließend<br />

besprechen wir die Idee dann mit unseren Geschäftspartnern.<br />

Bevor wir dann überhaupt anfangen zu<br />

entwickeln, lesen und spielen wir erst gemeinsam<br />

das Drehbuch durch und bekommen so auch direkt<br />

Feedback von den anwesenden Personen, wie sie<br />

sich in dieser Situation entscheiden würden. Wenn<br />

die Episode schließlich fertig ist, versammeln wir uns<br />

„Für uns ist die Story<br />

das Gameplay. Die Story<br />

definiert das Genre.“<br />

noch mal alle im Screening-Room und spielen sie gemeinsam.<br />

Das Kernteam lebt vom ständigen Feedback<br />

aus allen Abteilungen. Die Kernteams einer jeweiligen<br />

Staffel sind aber auch nicht voneinander abgegrenzt,<br />

wir haben einen offenen Entwicklungsprozess, in dem<br />

sich die Teams gegenseitig unter die Arme greifen. Der<br />

schwierigste Teil an einem neuen Spiel ist immer die<br />

erste Episode, weil wir hier eben noch kein Feedback<br />

der Fans haben. Wenn wir die Entscheidungen der<br />

Spieler einsehen können sowie ihre Erfahrungsberichte<br />

und Einschätzungen bekommen, können wir noch<br />

tiefer in die Materie eintauchen und das Spiel mehr an<br />

den Spielern ausrichten. Wir ändern unsere Story und<br />

unsere Charaktere basierend auf diesem Feedback<br />

auch mal ab. Und dabei geht es nicht nur darum,<br />

den Spielern zu geben, was sie wollen oder erwarten.<br />

Manchmal macht es eine Story auch besser, wenn man<br />

den Spielern genau das verweigert, was sie eigentlich<br />

erwartet haben. Die Spieler helfen uns ebenso dabei,<br />

die Figuren in einer Geschichte richtig zu positionieren.<br />

Das prominenteste Beispiel hierfür ist Duck aus der<br />

ersten Staffel von The Walking Dead. Sehr viele Spieler<br />

fanden Duck total nervig und wir hatten das während<br />

der Entwicklung gar nicht so gesehen. Nun wussten<br />

wir aber, dass wir uns mit diesem Charakter in Episode<br />

2 besonders beschäftigen müssen, denn für Folge<br />

3 hatten wir schließlich einen großen emotionalen<br />

Moment mit Duck geplant. Wir wussten genau, dass wir<br />

handeln mussten, damit den Spielern diese Szene mit<br />

Duck nicht komplett egal sein würde. Wir haben also<br />

bei Episode 2 genau darauf geachtet, dass der Spieler<br />

mehr Zeit mit Duck verbringt und so eine Beziehung zu<br />

ihm aufbaut. Genau deshalb haben wir die sehr beliebte<br />

Szene geschrieben, in der Duck zusammen mit dem<br />

Hauptcharakter Lee auf Spurensuche geht, wer die<br />

Vorräte gestohlen hat. So konnten wir vermitteln, was<br />

für ein liebenswerter Kerl Duck ist.<br />

<strong>PC</strong> <strong>Games</strong>: Könntet ihr euch vorstellen, ein Spiel zu<br />

entwickeln, das ganz anders ist und nicht auf die<br />

nun bewährte Telltale-Formel setzt? Ein Spiel, in dem<br />

Gameplay genauso wichtig ist wie die Story?<br />

Job Stauffer: Für uns ist die Story das Gameplay.<br />

Wir sind sehr glücklich über das Format, das wir<br />

jetzt haben, weil wir damit über Genres hinausgehen<br />

können. Ein Spiel wie The<br />

Walking Dead wird von<br />

der Spieleindustrie gerne<br />

als Adventure bezeichnet<br />

und wir verstehen auch,<br />

warum es so benannt<br />

wird, aber eigentlich ist es<br />

eine Drama-Serie. Wenn<br />

unser Spiel The Walking<br />

Dead auf Netflix erhältlich<br />

wäre, würde man es dort<br />

– genau wie die TV-Serie – in den Kategorien Horror<br />

und Drama finden. Bei Game of Thrones wäre es dann<br />

Fantasy, bei Minecraft hingegen Familienunterhaltung<br />

und bei Tales from the Borderlands Sci-Fi/Action/<br />

Comedy. Das sind verschiedene Genres und das<br />

sind unterschiedliche Spiele. Die Story definiert das<br />

Genre. Für uns ist es wichtig, ein bestimmtes Format<br />

zu haben, das es allen Spielertypen erlaubt, sämtliche<br />

Genres zu spielen. Das erlaubt uns auch, mit unseren<br />

unterschiedlichen Spielen neue Zielgruppen zu<br />

erschließen. Das ist wie bei Netflix- oder HBO-Serien.<br />

Du magst einige der Serien, aber das bedeutet nicht,<br />

dass du alle magst. Dennoch weißt du, wie du diese<br />

Serie konsumieren kannst. Du weißt ja schließlich, wie<br />

man TV schaut. So ist das auch bei uns. Wir erwarten<br />

gar nicht, dass jeder Spieler jedes unserer Spiele mag,<br />

denn unsere Produkte sind eben auch für verschiedene<br />

Geschmäcker und Zielgruppen. Wir wissen genau,<br />

dass ein Fan von The Walking Dead wahrscheinlich<br />

nichts mit Minecraft: Story Mode anzufangen weiß.<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

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