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PC Games 02-2017

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ANBIEDERUNG AN CASUAL-GELÜSTE<br />

Abseits der großen Lizenzen versuchte Telltale immer<br />

wieder Gelegenheitszocker abzugreifen.<br />

Im Telltale-Portfolio stecken nicht nur die im Fließtext<br />

erwähnten Adventure-Serien, sondern auch ein<br />

paar Nischentitel, die sichtlich für den Casual-Markt<br />

konzipiert wurden. Zum einen tretet ihr in Poker Night<br />

at the Inventory (2010) und Poker Night 2 (2013)<br />

gegen illustre Figuren wie Ash Williams aus den Evil<br />

Dead-Filmen oder den Heavy Weapons Guy aus Team<br />

Fortress 2 zu Kartenduellen an. Zum anderen müsst<br />

ihr in den beiden Puzzle Agent-Spielen zahlreiche<br />

Denkspielrätsel lösen, was stark an die Professor Layton-Serie<br />

für Nintendo DS erinnert.<br />

Während diese Spiele durchaus gefallen, sind die<br />

vier Titel rund um die amerikanische TV-Serie CSI<br />

weniger berühmt. Die Grafik wirkt vom ersten bis zum<br />

letzten Teil hässlich, und die Ermittlungen, bei denen<br />

ihr Spuren suchen sowie Zeugen befragen müsst, ziehen<br />

sich wie Kaugummi. Oft habt ihr das Gefühl, dass<br />

ihr in einer Sackgasse steckt. Dabei fehlt euch meist<br />

nur ein doofer Hinweis, den ihr bis dato übersehen<br />

habt und ohne den davon unabhängige Ereignisse<br />

nicht stattfinden.<br />

Das Schlusslicht im Telltale-Katalog bildet Law & Order:<br />

Legacies von 2012: Während die Polygon-Abbilder<br />

der TV-Charaktere gar nicht mal schlecht aussehen,<br />

reduziert sich das Spieldesign größtenteils auf<br />

das Befragen von Personen. Dabei müsst ihr nach so<br />

gut wie jeder Antwort mutmaßen, ob euer Gegenüber<br />

gelogen hat, und eure Meinung obendrein begründen.<br />

Bereits der erste von insgesamt sieben Fällen<br />

verkommt zu einem schnarchigen Trial&Error-Gerate,<br />

weil die Logik hinter den korrekten Angaben kaum ersichtlich<br />

ist. Man merkt, dass in die interaktiven Krimis<br />

kaum Mühe gesteckt wurde.<br />

So langweilig wie dieser Büroschreibtisch aussieht, so<br />

langweilig sind auch die CSI-Spiele von Telltale <strong>Games</strong>.<br />

Der Grafikstil des grässlichen Law & Order:<br />

Legacies ist noch das Beste am ganzen Spiel.<br />

Puzzle Agent sieht auf den ersten Blick wie ein Point&Click-Adventure<br />

aus, ist aber eine Sammlung von Denksportaufgaben.<br />

Klassische Rätsel, bei denen<br />

ihr Objekte kombiniert, Schalter<br />

in der korrekten Reihenfolge betätigt<br />

oder Antagonisten nur mit<br />

den richtigen Dialogen austrickst,<br />

bergen stets eine hohe Frustgefahr,<br />

sobald der Spieler nicht von<br />

alleine auf die richtige Lösung<br />

kommt. Aus diesem Grund sind<br />

Point&Click-Abenteuer einerseits<br />

bei Genre-Fans beliebt, für alle<br />

anderen jedoch ein Nischengenre.<br />

Die Formel, die Telltale <strong>Games</strong> seit<br />

The Walking Dead anwendet, mag<br />

sehr simpel sein, sie ist jedoch für<br />

jedermann zugänglich. Gleichzeitig<br />

sorgt die typische Telltale-Qualität<br />

der Geschichten, Dialoge und<br />

Charaktere für eine positive Resonanz<br />

auch bei denen, die sich<br />

vielleicht mehr Spiel anstatt Film<br />

wünschen. Anders ausgedrückt:<br />

Gute und vertrackte Rätsel machen<br />

eine kleine Gruppe glücklich,<br />

während der Rest vielleicht sogar<br />

verschreckt ist. Telltale <strong>Games</strong> erfreut<br />

hingegen die Masse, während<br />

der nach Spieltiefe dürstende Veteran<br />

zumindest ordentlich unterhalten<br />

wird.<br />

Womit gleich die nächste Frage<br />

aufkommt: Wenn der Erfolg mit den<br />

Geschichten und den Dialogen zusammenhängt,<br />

würden diese nicht<br />

auch genauso gut als passiver Film<br />

oder TV-Serie funktionieren? Die<br />

Antwort ist ein ganz klares „Nein!“,<br />

wobei wir erneut auf den Bluff mit<br />

den eingeblendeten Textzeilen verweisen.<br />

Der gleiche Trick würde auf<br />

der Leinwand schlicht nicht funktionieren,<br />

weil ihr dort eben ein reiner<br />

Zuschauer seid.<br />

Im Fall von The Walking Dead<br />

kommt noch das Moraldilemma<br />

hinzu, weshalb ihr euch als aktiver<br />

Spieler viel deutlicher die Frage<br />

stellt: Wie würde ich eigentlich in<br />

solch einer Ausnahmesituation handeln?<br />

Die Antwort ist vielleicht nicht<br />

immer schön, aber für die meisten<br />

eine interessante Erfahrung.<br />

Die Gefahr des Stillstands<br />

Trotzdem muss das US-Studio aufpassen,<br />

seine Erfolgsformel nicht zu<br />

überreizen. Spätestens mit Game of<br />

Thrones sind Stimmen laut geworden,<br />

dass sich von Telltale-Serie zu<br />

Telltale-Serie im Prinzip kaum etwas<br />

verändert und der Zauber hinter der<br />

Suggestion der Handlungsfreiheit<br />

so langsam erlischt. Telltale <strong>Games</strong>’<br />

ursprünglicher Fokus auf Kreativität,<br />

der sich insbesondere im Laufe der<br />

Sam & Max-Serie sichtlich gesteigert<br />

hatte, ist einer stets gleich ablaufenden<br />

Entwicklungsmaschine<br />

gewichen.<br />

Auf der einen Seite können die<br />

Kalifornier das Problem weiterhin<br />

geschickt umgehen, indem sie sich<br />

fleißig neue Lizenzen suchen. Dieser<br />

Weg hat bislang schließlich hervorragend<br />

funktioniert, weil The Walking<br />

Dead aufgrund der emotionalen<br />

Atmosphäre, Tales from the Borderlands<br />

dank seines Humors und The<br />

Wolf Among Us wegen seiner interessanten<br />

Grundprämisse jeweils genügend<br />

eigene Reize besitzen. Der<br />

Nachteil der mangelnden Beweglichkeit<br />

der Designer zeigt sich aber<br />

immer wieder bei den minimalistischen<br />

Rätseln, bei denen man nicht<br />

selten denkt: Das hätte durchaus<br />

knackiger sein können! Last but not<br />

least zeigen Fälle wie Game of Thrones,<br />

dass selbst hochkarätige Lizenzen<br />

kein Garant für entsprechend<br />

hohen Spielspaß sind.<br />

Wir meinen: Es wäre sehr begrüßenswert,<br />

wenn Telltale <strong>Games</strong> sich<br />

wenigstens ab und zu an ihre alte<br />

Philosophie erinnert und zeigt, dass<br />

sie auch anders können. Ansonsten<br />

landet der Entwickler auf ewig in<br />

der immer gleichen Schublade. Das<br />

wiederum wäre gar nicht notwendig,<br />

denn obwohl die Spiele von damals<br />

kaum noch jenen von heute gleichen,<br />

so haben sie eine unbestreitbare<br />

Gemeinsamkeit: Sie erzählen<br />

tolle Geschichten mit interessanten<br />

Charakteren.<br />

Die Wahl zwischen vier möglichen<br />

Dialogoptionen ist auch in The Wolf<br />

Among Us das zentrale Spielelement.<br />

Batmans Anzug sieht auch in Telltales stereotypischer<br />

Comicgrafik richtig fesch aus.<br />

<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />

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