PC Games 02-2017
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MAGAZIN <strong>02</strong>|17<br />
Die Helden aus Minecraft: Story Mode flüchten<br />
vor dem wütenden Withersturm.<br />
Die Protagonisten von Tales from the Borderlands befinden<br />
sich mal wieder in einer brenzligen Situation.<br />
inwiefern ein interaktiver Film über<br />
eine Shooter-Franchise ohne große<br />
Story überhaupt Sinn ergibt.<br />
Lustigerweise entspricht letztlich<br />
keines die beiden Spiele seinen<br />
Erwartungen. Game of Thrones entpuppt<br />
sich im Nachhinein als eine<br />
weniger gelungene Wahl, weil ihr die<br />
berühmten Charaktere aus der Serie<br />
selten zu Gesicht bekommt und<br />
stattdessen die Geschicke rund um<br />
das Haus Forrester lenkt, das zuvor<br />
nur am Rande in den Büchern vorkam.<br />
Telltale bleibt dafür dem harschen<br />
Tonfall der Fantasy-Vorlage<br />
treu und konfrontiert euch gleich in<br />
der ersten Episode mit dem überraschenden<br />
Tod eines zentralen Charakters.<br />
Leider habt ihr im Gegensatz<br />
zu The Walking Dead nicht das<br />
Gefühl, dieses Schicksal in irgendeiner<br />
Form beeinflusst zu haben, und<br />
fühlt euch deshalb wie eine hilflose<br />
Marionette. Ferner ist das Finale der<br />
auf sechs Episoden ausgelegten<br />
Staffel lückenhaft und unbefriedigend.<br />
Zwar liebäugelt Telltale <strong>Games</strong><br />
laut eigener Aussage mit einer<br />
Fortsetzung, allerdings gibt es diesbezüglich<br />
noch keine konkrete Ankündigung.<br />
Wir hoffen deshalb, dass<br />
Game of Thrones nicht das gleiche<br />
Schicksal erleidet wie Bone.<br />
Auf der anderen Seite entpuppt<br />
sich Tales from the Borderlands<br />
als echter Überraschungs-Hit – es<br />
gilt mit als das Beste, was Telltale<br />
<strong>Games</strong> bislang abgeliefert hat. Ihr<br />
steuert die Charaktere Rhys und<br />
Fiona, die von einem mysteriösen<br />
Fremden gefangen genommen werden.<br />
Beide erzählen abwechselnd<br />
ihre jeweilige Geschichte, wie sie<br />
sich kennengelernt haben und welche<br />
Rolle sie bei der Suche nach einem<br />
der begehrten Vault-Schlüssel<br />
spielen. Weil die Handlung aus frei<br />
erzählten Rückblenden besteht,<br />
wird die Wahrheit gerne mal à la<br />
Tim Burtons Big Fish gedehnt und<br />
das eine oder andere Ereignis bewusst<br />
überzogen dargestellt. Tales<br />
from the Borderlands begeistert<br />
vor allem dank seines übersprudelten<br />
Witzes, den slapstickartigen<br />
Actionszenen und den liebevollen<br />
Schwächen sämtlicher Charaktere,<br />
über die sich das Spiel immer wieder<br />
lustig macht. Das Setting, eine<br />
Mischung aus Endzeit und Steampunk,<br />
ist ebenfalls wie geschaffen<br />
für ein Abenteuer voller Pointen<br />
und Sarkasmus. Zwar sind die Rätsel<br />
weiterhin selbsterklärend, aber<br />
dafür könnt ihr immerhin ein paar<br />
versteckte Schätze finden und euch<br />
zum Beispiel eine schickere Karosserie<br />
für euer Fahrzeug leisten.<br />
Die neue, harte Realität von The Walking Dead<br />
ist Lee Everett sichtlich ins Gesicht geschrieben.<br />
Story statt Craften<br />
2015 und 2016 erscheinen erneut<br />
zwei voneinander unabhängige<br />
Adventure-Serien, die kaum<br />
unterschiedlicher sein könnten.<br />
Minecraft: Story Mode ist mit weitem<br />
Abstand die skurrilste Lizenz,<br />
für die sich der Entwickler bislang<br />
entschieden hat. Ernsthaft: Wie soll<br />
aus einem riesengroßen, digitalen<br />
Lego-Baukasten, dessen Welt per<br />
Algorithmus generiert wird und der<br />
komplett ohne Gesprächspartner<br />
auskommt, ein Adventure mit einer<br />
sinnvollen Handlung entstehen?<br />
In der Tat wird Minecraft: Story<br />
Mode von der Kritik eher schlecht<br />
aufgenommen. Die Blockgrafik, die<br />
im Original aufgrund des Spielprinzips<br />
noch Sinn ergibt, wirkt im interaktiven<br />
Film befremdlich und aufgesetzt.<br />
Die Geschichte gleicht einem<br />
stereotypischen Abenteuer, bei<br />
dem ihr euch als zunächst belächeltes<br />
Mitglied der Gesellschaft auf<br />
die Suche nach einer legendären<br />
Heldengruppe macht und gemeinsam<br />
mit ihr einen hochgefährlichen<br />
Withersturm bekämpft. Der Plot<br />
ist demnach wenig originell, und<br />
der Bezug zur Minecraft-Welt wirkt<br />
bemüht. Zwar müsst ihr ab und an<br />
genau wie im Originalspiel diverse<br />
Objekte bauen, bekommt hierfür jedoch<br />
ohne weiteres Zutun die nötigen<br />
Bauteile wie auch die erforderliche<br />
Anleitung zugeschustert.<br />
Der Grund, warum Minecraft:<br />
Story Mode letztlich doch Spaß<br />
machen kann, liegt erneut an<br />
der Qualität der Dialoge und der<br />
Charaktere. Diese sind zwar bei<br />
Weitem nicht so gewitzt wie jene<br />
in Tales from the Borderlands, sorgen<br />
aber in ein paar Szenen doch<br />
für Laune. Und zumindest Telltale<br />
selbst scheint viel Freude am<br />
Minecraft-Universum gehabt zu<br />
haben und hat die ursprünglich auf<br />
fünf Episoden ausgelegte Staffel<br />
um drei weitere gestreckt. Frech<br />
war hier allerdings, dass die Story<br />
der im Season-Pass enthaltenen<br />
Staffel bereits nach vier Folgen fertig<br />
erzählt war und die fünfte Episode<br />
schon der Auftakt der Story der<br />
zusätzlichen drei Episoden war. Für<br />
die sollte man aber selbstverständlich<br />
extra zahlen.<br />
Ich bin Batman!<br />
Während Telltale in nahezu jedem<br />
ihrer Spiele eine bereits existierende<br />
Handlung weiterführt, gleicht<br />
Batman einem Paralleluniversum.<br />
Ihr begegnet von Harvey Dent über<br />
Selina Kyle bis hin zu Carmine Falcone<br />
lauter bekannten Persönlichkeiten,<br />
deren Gesinnungen ihr bereits<br />
aus unzähligen Comics und Filmen<br />
kennt. Doch der Entwickler wirbelt<br />
den allseits beliebten Plot rund um<br />
den dunklen Ritter dank einiger alternativen<br />
Fakten durcheinander,<br />
wenn er beispielsweise Bruce Waynes<br />
Eltern mit kriminellen Machenschaften<br />
in Verbindung bringt.<br />
Unterm Strich liegt Batman<br />
qualitativ irgendwo zwischen The<br />
Walking Dead/Tales from the Borderlands<br />
und Game of Thrones/<br />
Minecraft: Die Geschichte ist gut<br />
geschrieben, die comichafte Präsentation<br />
wird der Vorlage gerecht<br />
und spielerisch erinnern die Rätsel<br />
wenigstens ansatzweise an die<br />
alten Telltale-Adventures, wenn<br />
sie euch zur Untersuchung eines<br />
Tatorts und zur korrekten Kombination<br />
zweier zusammenhängender<br />
Spuren zwingen. Analysiert man die<br />
letzten Telltale-Jahre, wird schnell<br />
klar: Kaum ein Spiel hat die Philosophie<br />
eines Entwicklers derart<br />
beeinflusst wie The Walking Dead<br />
und es ist mehr als offensichtlich,<br />
dass man sich aufgrund des Erfolges<br />
komplett von seinen LucasArts-Wurzeln<br />
getrennt hat. Dabei<br />
stellt sich die Frage: Ist dies nun gut<br />
oder schlecht?<br />
Geschichten als Schlüsselelement<br />
Die Antwort ist selbstverständlich<br />
nicht so einfach: Natürlich hat Telltale<br />
<strong>Games</strong> dank The Walking Dead<br />
gemerkt, dass eine brillant erzählte<br />
Geschichte unter Umständen beliebter<br />
ist als ein cleveres Rätseldesign.<br />
Das wiederum liegt in der<br />
Natur der Adventures begründet,<br />
die nicht ohne Grund nach der<br />
Jahrtausendwende bereits für tot<br />
erklärt wurden und erst durch den<br />
Aufstieg der Indie-Szene neues Leben<br />
eingehaucht bekamen.<br />
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