PC Games 02-2017
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VOM PIONIER DES DIGITALEN VERTRIEBSWEGES ZUM VERFECHTER DER RETAILPACKUNGEN<br />
2004 startet dank der Veröffentlichung von Valves Shooter-Meilenstein Half-Life 2 der Siegeszug von Steam und des digitalen Vertriebsweges im Allgemeinen.<br />
Telltale <strong>Games</strong> schlägt bereits zur gleichen Zeit einen ähnlichen, dabei aber bedeutend kundenfreundlicheren Weg ein.<br />
Der Entwickler veröffentlicht von Beginn an sämtliche<br />
seiner Spiele in digitaler Form und kann deshalb<br />
problemlos einzelne Episoden für einen fairen Preis<br />
von jeweils 8 Dollar anbieten. Käufer einer kompletten<br />
Staffel dürfen darüber hinaus eine DVD mit stilgerechter<br />
Verpackung erwerben – und zwar allein<br />
gegen die Erstattung der Portokosten!<br />
Mit der Fertigstellung von Tales of Monkey Island<br />
geht man gar einen Schritt weiter und bietet schicke<br />
Sammlereditionen an. Während euch in der Schachtel<br />
zu Guybrush Threepwoods Abenteuer solch neckische<br />
Sachen wie eine Stoff- oder eine Tarot-Karte erfreuen,<br />
schlummern in der Box zu Back to the Future<br />
Doc Browns handgekritzelte Notizen und im Fall von<br />
Jurassic Park ein stilechter ID-Ausweis.<br />
Leider verzichtet Telltale mittlerweile schon seit<br />
einiger Zeit auf diesen Service und stellt sogar den<br />
Verkauf ihrer Merchandising-Artikel – beispielsweise<br />
Soundtrack-CDs der Sam & Max-Spiele – ein. Stattdessen<br />
könnt ihr die Telltale-Serien nun ganz normal<br />
im Laden kaufen, auch wenn auf den DVDs oder Blurays<br />
der ersten Auflage nur eine Episode schlummert<br />
und der Rest dann doch per Internet heruntergeladen<br />
werden muss. Deshalb lohnt es sich zu warten<br />
und die Spiele erst nach Vollendung der Staffel zu<br />
erwerben. Dann ergattert ihr im Fall von Minecraft:<br />
Story Mode gar eine Version, die selbst auf dem <strong>PC</strong><br />
komplett ohne Steam-Zwang auskommt und somit<br />
an Telltales ursprüngliche Kundenfreundlichkeit erinnert.<br />
Nima Cruz ist zwar auch nicht gerade begeistert<br />
von Jurassic Park: The Game, aber<br />
immerhin gibt es von dem Spiel eine schöne<br />
Collector’s Edition mit schicken Goodies.<br />
Telltale Texas Hold’em ist eines der ersten<br />
Spiele überhaupt, die ursprünglich nur über<br />
den digitalen Vertriebsweg erhältlich waren.<br />
das die Immersion, dass ihr euch<br />
tatsächlich als Lee Everett fühlt,<br />
beträchtlich. Wie gesagt: Es ist ein<br />
Bluff, denn natürlich könnt ihr nicht<br />
wirklich den Handlungsrahmen beeinflussen.<br />
Selbst auf den ersten<br />
Blick weitreichende Entscheidungen,<br />
anhand derer etwa einer von<br />
zwei möglichen Nebencharakteren<br />
ums Leben kommt, spielen nach<br />
kurzer Zeit keine Rolle, weil über<br />
kurz oder lang auch der andere<br />
Charakter dran glauben muss.<br />
Trotzdem geben euch die Macher<br />
des Spiels das Gefühl, der Lenker<br />
einer Geschichte zu sein. Obwohl<br />
die Spieltiefe sehr dürftig geraten<br />
ist und sämtliche Rätsel selbsterklärend<br />
sind, begeistert The Walking<br />
Dead selbst Adventure-Profis.<br />
Ende 2012 heimst es neben Sonys<br />
Journey die meisten Spiel-des-Jahres-Preise<br />
ein, und die hohen Verkaufszahlen<br />
machen Telltale <strong>Games</strong><br />
quasi über Nacht zu einem der<br />
erfolgreichsten Indie-Entwickler.<br />
Ein Konzept zum Gelddrucken<br />
Beflügelt vom Erfolg von The<br />
Walking Dead konzentriert sich<br />
Telltale fortan auf die Gestaltung<br />
komplexer Charaktere anstatt<br />
komplizierter Rätsel. The Walking<br />
Dead wird sogleich in Form einer<br />
zweiten Staffel fortgesetzt, wobei<br />
ihr diesmal die Rolle von Clementine<br />
übernehmt. Zwar ist das neue<br />
Episoden-Quintett nicht ganz so<br />
<strong>02</strong> | <strong>2017</strong><br />
gelungen und mit weniger emotionalen<br />
Höhepunkten gespickt,<br />
doch unterm Strich funktioniert<br />
die schlichte Formel erneut prima.<br />
Zwischen Staffel 1 und 2 veröffentlicht<br />
Telltale <strong>Games</strong> zudem die<br />
Bonusfolge 400 Days sowie zwischen<br />
Season 2 und 3 eine kurze<br />
Spin-off-Staffel rund um Michonne,<br />
einen der beliebtesten Charaktere<br />
der TV-Serie. Dadurch entsteht ein<br />
kleines Universum, das ihr am besten<br />
von Anfang an verfolgt. Dann<br />
könnt ihr euren Speicherstand von<br />
Staffel zu Staffel übernehmen und<br />
werdet immer wieder an längst vergangene<br />
Entscheidungen erinnert,<br />
die ihr – im wahrsten Sinne des<br />
Wortes – vor Jahren getroffen habt.<br />
Telltale ergattert abseits der<br />
Untoten-Saga weitere Lizenzen<br />
und entscheidet sich bei The Wolf<br />
Among Us für einen Comic, der<br />
weitaus weniger berühmt ist: Fables<br />
von Bill Willingham. Dafür ist<br />
die Prämisse hier umso gewitzter:<br />
Zahlreiche berühmte Fabel- sowie<br />
Märchenwesen verlassen ihre<br />
Heimatwelt und residieren in einem<br />
eigens für sie geschaffenen<br />
Viertel mitten in Manhattan. Ihr<br />
übernehmt die Rolle von Bigby<br />
Wolf, dem ehemals großen, bösen<br />
Wolf, der inzwischen geläutert ist<br />
und als Sheriff von Fabletown eine<br />
grausige Mordserie aufklärt. Die<br />
Entscheidung, diese bei vielen unbekannte<br />
Marke direkt auf den Erfolg<br />
der ersten Staffel The Walking<br />
Dead folgen zu lassen, wirkt ungewöhnlich,<br />
doch man merkt auch<br />
dem Spiel um den haarigen Gesetzeshüter<br />
an, dass Telltale bei der<br />
Entwicklung mit viel Leidenschaft<br />
und Kreativität zu Werke ging. The<br />
Wolf Among Us ist für Nichtkenner<br />
des Comics überraschend düster,<br />
weshalb die Kulisse an verruchte<br />
New Yorker Stadtbezirke wie die<br />
Bronx erinnert. Die meisten Märchenfiguren<br />
sind weit von einem<br />
„glücklichen Leben bis ans Ende<br />
ihrer Tage“ entfernt, weshalb selbst<br />
solche Traumpaare wie die Schöne<br />
und das Biest mit ernsthaften Eheproblemen<br />
kämpfen.<br />
Spielerisch hat sich gegenüber<br />
The Walking Dead indes wenig verändert,<br />
weshalb der Fokus erneut<br />
Auch in Game of Thrones suggerieren euch kurze Texteinblendungen,<br />
dass eure Dialogwahl Einfluss auf die Geschichte hat.<br />
auf dem Erzählen einer Geschichte<br />
und der Wahl eurer Dialoge liegt.<br />
Die Auflösung der Mordserie ist<br />
stets die gleiche, aber immerhin<br />
dürft ihr euch ab und an im Rahmen<br />
eurer Ermittlungen zwischen<br />
dem Besuch unterschiedlicher Orte<br />
entscheiden. Somit müsst ihr The<br />
Wolf Among Us zumindest zweimal<br />
komplett durchspielen, falls ihr jedes<br />
Szenario erleben wollt.<br />
Erwartungen contra Ergebnisse<br />
2014 startet Telltale gleich zwei<br />
neue Adventure-Serien und sorgt<br />
vor allem mit der Ankündigung von<br />
Game of Thrones aufgrund der Popularität<br />
der Bücher sowie der Fernsehserie<br />
für viel Enthusiasmus und<br />
Vorfreude. Bei Tales from the Borderlands<br />
fragt man sich hingegen,<br />
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