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PC Games 02-2017

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MAGAZIN <strong>02</strong>|17<br />

IM FOKUS DER KILLERSPIEL-DISKUSSION<br />

Die Killerspiel-Debatte zeichnete sich vor allem durch<br />

grelle Schlagzeilen und mangelnde Sachlichkeit aus.<br />

Um die Jahrtausendwende begann eine Diskussion<br />

um sogenannte „Killerspiele“. Dabei handelt es sich<br />

um einen negativ konnotierten, politischen Begriff,<br />

der Spiele mit Gewaltinhalten gegen Menschen und<br />

menschenähnliche Personen klassifizieren soll. Im<br />

Kern geht es in der meist unsachlich geführten Diskussion<br />

um den Versuch, solche Spiele zu stigmatisieren<br />

(„Massenmord als Kindersport“ – Frontal21, ZDF),<br />

einzuschränken oder gar zu verbieten. Ernsthafte und<br />

ausgewogene Auseinandersetzungen mit dem Thema<br />

Gewalt in Spielen sind dagegen verhältnismäßig selten.<br />

Der Hitman befand sich als echtes Killer-Spiel ebenfalls<br />

bereits im Fokus dieser Diskussion. In der heftig<br />

kritisierten Sendung Frontal21 (ZDF) vom 09. November<br />

2004 wurde versucht, Computerspiele als Ursache<br />

von Gewaltexzessen wie dem Amoklauf von Erfurt<br />

hinzustellen. Hitman: Contracts soll angeblich belegen,<br />

dass die Freiwillige Selbstkontrolle versagt habe.<br />

Auf die Aussage des damaligen Leiters der Obersten<br />

Landesjugendbehörde, dass sich die FSK im Bereich<br />

Spiele absolut bewährt habe, reagiert Frontal21 wie<br />

folgt: »Bewährt? Ein Hohn bei Spielen wie Hitman:<br />

Contracts. Sinnloses Morden im Sanatorium ist hier<br />

Spielinhalt. Eine Vorgängerversion hat die damals zuständige<br />

Bundesprüfstelle noch indiziert, das heißt,<br />

es konnte nicht offen gekauft werden – das Spiel gab<br />

es nur unter der Ladentheke. Die aktuelle Fassung ist<br />

mindestens so brutal und frei erhältlich ab 18. Das<br />

bedeutet, für Hitman: Contracts und ähnliche Gewaltspiele<br />

können die Hersteller offen werben.« Untermalt<br />

wird das Zitat von wildem Geballer im genannten Sanatorium,<br />

was natürlich möglich ist, dem eigentlichen<br />

Ziel des Spiels aber entgegensteht – und vom Spiel<br />

bestraft wird (beispielsweise durch schlechte Missionswertungen).<br />

Mit einseitigen Videos, Studien sowie Aussagen voreingenommener<br />

Personen wurde zudem versucht, auf<br />

politischer Ebene blinden Aktionismus zu erreichen.<br />

Eine sachliche Debatte war nie im Interesse der entsprechenden<br />

Medien. Politiker wie der damalige niedersächsische<br />

Innenminister Schünemann ließen sich<br />

davon beeinflussen und erklärten die FSK als unzureichend.<br />

Gegenüber dem Magazin Der Spiegel nannte<br />

er Hitman: Contracts als Beispiel für ein Versagen der<br />

Selbstkontrolle. Das Magazin schreibt: „Er selbst sei<br />

zwar ‚kein Experte‘, man habe ihm jedoch Fälle vorgelegt,<br />

in denen Spiele durch minimale Modifikationen<br />

von ‚keine Kennzeichnung‘ auf verkaufsfähige Einstufungen<br />

heruntergerutscht seien. Konkret nennt er<br />

Hitman: Contracts, ein Spiel, in dem der Spieler einen<br />

Berufskiller verkörpert.“<br />

Hitman: Contracts<br />

Contracts war kein spieltechnischer Fortschritt,<br />

aber solides Handwerk mit düsterer Story.<br />

Es geht aber trotz der recht wahllos<br />

erscheinenden Zielpersonen schon<br />

im Ur-Hitman eigentlich darum,<br />

sein Ziel zu erreichen, ohne (zu<br />

viele) zusätzliche Opfer zu produzieren<br />

(Ausnahmen bestanden beispielsweise<br />

in der Massentötung<br />

von Klonen, die jedoch im Kontext<br />

der Geschichte ebenfalls nicht nur<br />

stattfand, um Gewalt zu zelebrieren).<br />

Geduld, gutes Timing und das<br />

genaue Auskundschaften der Umgebung<br />

gehören ebenso dazu wie<br />

eine sichere Hand beim Neutralisieren<br />

des Auftragsziels. Das macht<br />

bis heute das spannende Grundprinzip<br />

der Hitman-Reihe aus: Hier<br />

wird nicht einfach drauflosgeballert<br />

(auch wenn das möglich ist!), hier<br />

wird überlegt geplant und dann mit<br />

chirurgischer Präzision ausgeführt.<br />

Konnte sich das Spielprinzip<br />

trotz Indizierung und einer teils laut<br />

geführten Diskussion um Moral in<br />

Spielen trotzdem durchsetzen?<br />

Hitman 2: Silent Assassin<br />

Bis 2006 verkaufte sich Hitman:<br />

Codename 47 mehr als 500.000 Mal<br />

– anscheinend kam das Spielprinzip<br />

beim Kunden durchaus an. Schon<br />

20<strong>02</strong> legte IO Interactive mit dem<br />

zweiten Teil nach. Dieses Mal blieb<br />

der Titel von einer Indizierung verschont.<br />

Einige kleine, aber durchaus<br />

signifikante Änderungen an der Story<br />

und den Spielmechaniken könnten<br />

dazu beigetragen haben.<br />

Agent 47 (ab sofort von Thorsten<br />

Michaelis synchronisiert) sinniert<br />

in einem italienischen Kloster<br />

über seine Vergangenheit als Auftragskiller<br />

und beichtet dem dortigen<br />

Priester Vittorio seine Sünden.<br />

Die freundschaftliche Beziehung<br />

der beiden wird jäh unterbrochen,<br />

als Vittorio von der italienischen<br />

Mafia entführt wird. 47 nutzt seine<br />

Fähigkeiten erneut, diesmal (im<br />

Unterschied zu Teil 1) mit einer moralischen<br />

Rechtfertigung: Er zieht<br />

sozusagen gegen das Böse selbst<br />

zu Felde. Anders als im ersten Teil<br />

gibt es damit auch eine Rahmenhandlung,<br />

während die einzelnen<br />

Missionen allerdings eher weniger<br />

mit der Rettung des Priesters zu<br />

tun haben. Da entsorgen wir einen<br />

russischen General, der mit Terroristen<br />

Geschäfte machen will,<br />

oder kümmern uns um einen Hacker,<br />

der in Regierungsunterlagen<br />

herumschnüffelt. Die Route für 47<br />

wird schnell klar: Je mehr Dreck die<br />

Zielperson am Stecken hat, umso<br />

gerechtfertigter die Eliminierung.<br />

Neben der verbesserten Grafik<br />

und der Einführung der (optionalen)<br />

First-Person-Sicht wurden aber<br />

auch am Gameplay Anpassungen<br />

vorgenommen. So darf 47 Gegner<br />

und Zivilsten (potenzielle Zeugen)<br />

mit Handkantenschlag, einem Hieb<br />

mit dem Knauf einer Waffe oder<br />

Chloroform schlafen legen. Natürlich<br />

muss er auch bewusstlose<br />

Personen verstecken, aber er ist<br />

nicht mehr gezwungen zu töten,<br />

nur weil er die Klamotten eines<br />

Hausmeisters benötigt. Zusätzlich<br />

gibt es nun einen Indikator, der<br />

Der berühmteste Strichcode der Spielegeschichte<br />

wurde dem Hitman auf<br />

den Hinterkopf tätowiert.<br />

das Verdachtslevel anzeigt – blinkt<br />

das entsprechende Icon, wird’s<br />

brenzlig und wir müssen umgehend<br />

unauffälliger agieren. Damit Spieler<br />

sich möglichst für eine echte<br />

Profikiller-Vorgehensweise entscheiden,<br />

wurde auf lautloses Vorgehen<br />

besonderer Wert gelegt: Die<br />

höchste Auszeichnung „Lautloser<br />

Killer“ (siehe Spieltitel) erhält 47,<br />

wenn er die Mission erledigt, ohne<br />

dass seine Tarnung aufgeflogen ist<br />

und ohne dass er mehr als die Zielperson<br />

+ 1 neutralisiert hat. Dafür<br />

gibt’s dann auch eine neue Waffe<br />

zur Belohnung. Wer sich stattdessen<br />

durch die Levels ballert wie ein<br />

Cowboy auf Crack, der bekommt<br />

(zu Recht) eine miese Punktzahl in<br />

Verbindung mit der zweifelhaften<br />

Bewertung als „Massenmörder“.<br />

DIE GESCHICHTE HINTER DEM BARCODE<br />

Agent 47 wurde am 5. September 1964<br />

in einem Sanatorium in Rumänien geboren.<br />

Oder genauer: Er wurde erschaffen.<br />

47 ist nämlich ein Klon, entwickelt<br />

vom deutschen Genetiker Dr. Otto Wolfgang Ort-Meyer. Dessen größtes Ziel bestand<br />

darin, den perfekten, gehorsamen Killer zu erschaffen. Zu diesem Zweck<br />

nutzte er das Sanatorium in Satu Mare (Rumänien) als Tarnung.<br />

Um 47 zu erschaffen, nutzte Ort-Meyer – neben seiner eigenen – die DNA von vier<br />

anderen Schwerkriminellen, mit denen er befreundet war und die sich für das Projekt<br />

bereitwillig als Spender zur Verfügung stellten. Daraus entwickelte Ort-Meyer<br />

Klon Nummer 47, woher auch seine spätere Bezeichnung als Agent 47 herrührt.<br />

Um ihn und die anderen Klone im Sanatorium auseinanderhalten zu können, bekamen<br />

sie einen Barcode und eine Nummer in den Hinterkopf tätowiert. 47 wurde<br />

die Nummer 640509-040147 in die Haut gestochen. 64-05-09 steht dabei für sein<br />

Geburtsdatum, 04 markiert die Klon-Serie, in der er als erster Klon (dafür steht die<br />

01) erschaffen wurde, während die 47 seine Versionsnummer bezeichnet.<br />

Der Strichcode selbst hat keine Bedeutung, auch wenn verschiedene Lesegeräte<br />

hierzu unterschiedliche Produkte ausspucken. Eines der kuriosesten Ergebnisse<br />

war eine Tasche für Sexspielzeug.<br />

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