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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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sche und griechische Literatur öffentlich und privatim Vorlesungen gehalten habe.<br />

Das Fach Archäologie sei seit Heynes Tod unbesetzt, und ein mehrjähriger Aufenthalt<br />

zu Rom, Florenz, Dresden, Wien und Berlin habe es ihm ermöglicht, über<br />

Kunst und Schönheit nicht bloß aus Büchern, sondern aus eigener Anschauung zu<br />

reden. Mit dieser Bemerkung versuchte Tölken sich vermutlich von Heyne abzuheben,<br />

der sich sein Wissen in der Archäologie im wesentlichen hatte anlesen oder<br />

anhand von Abgüssen erarbeiten müssen. Eine Bildungsreise zu den Stätten der<br />

klassischen Antike war für Heyne als Sohn eines armen sächsischen Webers während<br />

seiner Studienzeit undenkbar gewesen. Tölken gehörte einer Generation von<br />

Kunsthistorikern an, bei der im Unterschied zu Heyne und J. D. Fiorillo die Autopsie<br />

gegenüber der Buchgelehrsamkeit in den Vordergrund rückte. Außerdem –<br />

so hob Tölken in seinem Schreiben an das Ministerium noch hervor, – sei er mit<br />

den jüngern Professoren der Philologie, Wunderlich und Dissen, durch gemeinschaftliche<br />

Studien und eine herzliche Freundschaft innigst verbunden.<br />

Bei aller Liebe zu <strong>Göttingen</strong> sah Tölken damals aber auch andere Alternativen<br />

seiner beruflichen Entwicklung. Er berichtete dem Kuratorium weiter, dass seine<br />

Vaterstadt Bremen, der er früher bereits als Sekretär bei diplomatischen Sendungen<br />

gedient habe, jetzt gewillt sei, ihn entweder bei dem dortigen Gymnasium als<br />

Professor mit einem Einkommen von 800 rthlr. und bei der projektierten neuen<br />

Einrichtung der Schule unter noch vorteilhafteren Bedingungen anzustellen. Alternativ<br />

sei ihm angeboten worden, aufs neue in Missionen der Stadt zu dienen,<br />

wobei man ihm die Aussicht auf die Position eines Syndikus oder Ratsherrn eröffnet<br />

habe. Ferner sei ihm durch von Fellenberg das Angebot unterbreitet worden,<br />

an dem von der Berner Regierung autorisierten Erziehungsinstitut von Hofwyl<br />

unter sehr annehmlichen und schmeichelhaften Bedingungen die Professur der<br />

Geschichte zu übernehmen. 1350 Schließlich habe Herbart, sein besonderer Freund<br />

und Lehrer, bereits vor Ausbruch des jetzigen Krieges ihm Aussichten zu einer<br />

Anstellung bei einer preußischen Universität eröffnet. Da er aber eine akademische<br />

Laufbahn in <strong>Göttingen</strong>, wo er studiert habe, und wo die meisten Professoren<br />

seine Freunde seien, allen übrigen Anstellungen vorziehe, ersuche er das Ministerium<br />

um eine Anstellung als außerordentlicher Professor der Philosophie, insbesondere der<br />

Alterthumskunde wo möglich mit einigem Gehalt, um nicht gezwungen zu seyn, wie bisher,<br />

meine beste Zeit mit Privatstunden und Sprachunterricht zu vergeuden. Tölken fügte hinzu,<br />

dass er während der französischen Besetzung seiner Vaterstadt als Auditeur beim<br />

Staatsrat in Vorschlag war, aber dieses damals sehr glänzende Angebot abgelehnt<br />

habe, um als Privatdocent zu <strong>Göttingen</strong> eine mühsamere aber ehrenvollere Laufbahn zu verfolgen.<br />

1351 Die Aufzählung denkbarer Berufsalternativen zeigt eine für Tölken charakteristische<br />

Breite der Interessen und Fähigkeiten – dem neuhumanistischen Ideal<br />

einer vielseitigen Bildung entsprechend, die zu dieser Zeit ihren Bewährungsfall<br />

auch in der Vernetzung mit den Herausforderungen der Berufswelt suchte.<br />

1350 In Hofwyl war bis 1812 u. a. der Herbart-Schüler Friedrich Griepenkerl tätig [Asmus (wie Anm.<br />

205), S. 263 und 350 f.].<br />

1351 UAG: Kur 4. V. c. 30, Bl. 2.

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