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Johannes Tütken - SUB Göttingen - GWDG

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dieser Notlage für ihn keine Zeit blieb, den Erfolg von Bewerbungen um vergleichbare<br />

Stellungen abzuwarten, nahm er diese Krise zum Anlass, seinem Leben<br />

eine andere Wendung zu geben, die er in seinem Promotionsantrag in Kürze andeutet:<br />

Geleitet von der allgemeinen Annahme, dass sich die menschliche Tätigkeit<br />

von der Kunst zur Wissenschaft bewege, plante von Seckendorf nunmehr<br />

seinen weiteren Lebenslauf als eine berufliche Entwicklung vom Künstler zum<br />

Wissenschaftler.<br />

Kunst und Wissenschaften gewähren, so erwog ich es, die allgemeinste Thätigkeit. – Ich<br />

mußte mit der Kunst beginnen, um schnell zu erwerben und immer mehr und mehr den<br />

Wissenschaften mich widmen zu können, die auch früherhin meine Erholungsstunden<br />

ausgefüllt hatten.<br />

Der Künstler sollte also zunächst den Wissenschaftler ernähren. Von Seckendorf<br />

nahm den Namen Patrik Peale an, mit dem er vorher schon kleine literarische<br />

Versuche in Zeitschriften unterzeichnet hatte und begann 1808 seine Künstler<br />

Laufbahn. Beobachtungen seines früheren Lebens reihten sich für ihn zu einem<br />

stimmigen Ganzen: Die Wissenschaften wurden mir Geschäft, und die Reisen hätten<br />

seinen Horizont geweitet. Er lernte die Gelehrten Deutschlands und die Kunstsammlungen<br />

des Landes kennen. Ganz aus mir selbst schöpfend, entwickelte er Theorien<br />

der Deklamation und Mimik, die zur wissenschaftlichen Hebung der Schauspielkunst<br />

beitragen sollten. Während dieser Zeit verfasste er u. a. auch eine Reihe<br />

von Theaterstücken.<br />

Eine erste Bekanntschaft mit dem Mimen Patrik Peale konnten interessierte Göttinger<br />

bereits am 19. 8. 1810 machen, als der Besuch König Jérômes mit erheblichem<br />

Aufwand gefeiert wurde. Am Vorabend hatte der akademische Musikdirektor<br />

Forkel [Nr. 19] ein glänzendes Konzert dirigiert. Eine prachtvoll ausstaffierte<br />

studentische Ehrengarde ritt am Folgetag dem Königspaar entgegen, und die Professorentöchter<br />

überreichten den Majestäten ein Gedicht. Der Höhepunkt der<br />

Feierlichkeiten aber war eine der in jener Zeit beliebten mimisch-allegorischen<br />

Darstellungen. Patrik Peale inszenierte ein lebendes Bild mit Hilfe mehrerer Kunstfreunde<br />

und einiger junger Frauenzimmer der Stadt im Sommerauditorium der<br />

Universität. Propagandistisches Geschick verschaffte dieser Aufführung zum<br />

Ruhme des Königs Aufmerksamkeit im Blätterwald jener Zeit:<br />

Auf dem Altar, dem Mittelpunkte der Allegorie, stand der Genius des Lebens, gekrönt<br />

von dem Genius des Ruhmes. Vor dem Altar die Geschichte, welche den Namen<br />

Sr. Majestät auf eine Tafel eingegraben hatte und auf dieses’ ihr Werk hinwies;<br />

links die Dichtkunst mit einer mit Gedichten beschriebenen Rolle, ihr Opfer darbringend.<br />

Rechts die Philosophie, mit ernster sinnender Miene auf den Altar hinweisend.<br />

Die Baukunst weihte ihr größtes Werk, die Pyramide; die Bildhauerkunst beeiferte<br />

sich, auf würdige Art den Namen Sr. Majestät zu feiern; die Malerei zeigte ihr, wie<br />

die Baukunst ihnen schon zuvorgekommen. Die Tonkunst schien mit dem Ausdrucke<br />

sanfter und fröhlicher Empfindung der Dichtkunst die Flöte reichen zu wollen. Die<br />

Arzneiwissenschaft führte einen Greis und ein Kind, welche sie geheilt hatte, zum Altare<br />

und ließ sie vor demselben niederknieen. Während die Naturwissenschaft die

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